Wolf Jeni / Jeanette – 30. Jänner 1874

Wolf Jeni / Jeanette – 30. Jänner 1874

Jeni / Jeanette (Chaja Sara Tochter Asriel ha-Levi) Wolf, 12. Schvat 634 (= Freitag, 30. Jänner 1874)

ב-R18 (Wachstein 1105)

 

Die Grabinschrift

Inschrift Jeni Wolf: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] H(ier ist) g(eborgen) פ”ט
[2] das geliebte Mädchen Chaja Sara, הילדה אהובה חיה שרה
[3] Tochter des erhabenen Einflussreichen, בת הקצין המרומם
[4] d(es ehrbaren) H(errn) Asriel Wolf Seg”al. כ”ה עזריאל וואלף סג”ל
[5] Sie verstarb am 12. הנפטרת ביום י”ב
[6] Schvat 634 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). שבט תרל”ד לפ”ק
[7] I(hre) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). תנצב“ה
 

Anmerkungen

Der Grabstein lehnt an der nördlichen Friedhofsmauer. Folgen wir den – allerdings nicht ganz verlässlichen und vor allem heute nicht mehr sichtbaren Standortnummern -, dürfte der Grabstein im Sektor Y, vielleicht zwischen Y-15 und Y-23 gestanden sein.

Zeile 4: Abkürzung für סגן לויה “sgan levija”, etwa: “Vertreter der Leviten”.

 

Biografische Notizen

Jeni / Jeanette (Chaja Sara Tochter Asriel ha-Levi) Wolf, geb. 13. September 1869 in Eisenstadt, wh. Eisenstadt, gest. 12. Schvat 634 = Freitag, 30. Jänner 1874 mit 4 Jahren und 4 Monaten

Vater: Ignaz (Esriel) Wolf , gest. 18. Jänner 1906, begraben am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Mutter: Hermine (Hendel) Wolf, geb. Neubrunn, gest. 17. August 1931, begraben am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt

Schwestern:

Ernestine Wolf (“Ester” in den Geburtsmatriken), geb. 04. April 1865 in Eisenstadt, Mayerhof 131 (bei Wolf E., Die Familie Wolf, Wien 1924, 79 14. April 1865), wh.: Wien I, Wiesingerstr. 6, geh. am 25. Februar 1885 in Baden bei Wien Dr.med. Jakob Schleiffer. Jakob war bei der Hochzeit 26 Jahre, Ernestine 19 Jahre alt. Der Rabbiner bei der Trauung war übrigens Salomon Kutna (s. Matrikeneintrag unten)!
Dr. Jakob Schleiffer, geb. 26. Mai 1857 in Keszthely (Ungarn), wh.: Baden bei Wien, Sohn von Sandor und Elisabeth Wolf, Gymnasium Ödenburg, Universität Wien (med. Fakultät), bei der bosnischen Okkupation in Kanizsa eingerückt, 1885-1889 Arzt in Baden, dann in Wien, Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, gest. 12. Jänner 1912.
Tochter: Rosa Schleiffer, geb. 04. Dezember 1885 in Baden bei Wien, verh. mit Jenö Schmidek, wurde 1944 in Budapest ermordet (Schoa-Opfer)

 

Flora Wolf, geb. (“Fanni” in den Geburtsmatriken) 26. März 1868 in Eisenstadt, Mayerhofgasse 132, dort ebf. wohnhaft, geh. am 14. März 1888 in Eisenstadt Josef Braun. Josef war bei der Hochzeit 33 Jahre, Flora (so der Name in den Hochzeitsmatriken) 20 Jahre alt. Flora Braun, geb. Wolf, starb am 31. März 1920 in Wien.
Josef Braun geb. August 1855, aus Cífer (Slowakei) (Sohn von Salomon aus Ungarisch Ostra, Bahnbeamter und Gründer der Jaroschauer Bierbrauerei und Josefine Schaar aus Cifer). Vormals Kaiserlicher Rat, Goldenes Verdienstkreuz mit der goldenen Krone für Lebensrettung, Präsident der Aktiengesellschaft der Jaroschauer Bierbrauerei, wh.: Jaroschau und Wien III, Weyrgasse 5 (Wolf E., Die Familie Wolf, Wien 1924, 53)
Tochter: Margarethe / Grete Braun, geb. 18. Jänner 1899, verh. mit Dr. Emmerich Bak, wurde in Auschwitz ermordet (Schoa-Opfer)

 

Adele Wolf (Adelheid in den Geburtsmatriken), geb. 01. November 1870 in Eisenstadt, wh.: Mährisch Ostrau, Maticeg. 2, geh. am 12. September 1892 Dr. Max Böhm in Bad Vöslau, Hochzeitsfeierlichkeiten im Hotel Bellevue. Max war bei der Hochzeit 35 Jahre, Adelheid 22 Jahre alt.
Dr. Max Böhm, geb. 25. Oktober 1857 in Wien, wh.: Mährisch Ostrau (Sohn von Bernhard Böhm aus Nikolsburg, Fabrikant und Katharina Eisler aus Nikolsburg), Gymnasium Wien, Politechnikum Zürich, Maschinenbau-Technische Hochschule Karlsruhe i.B., phil. Fakultät (Chemie), Universität Freiburg i.B., Dissertation: “Beiträge zur Kenntnis des galizischen Erdös”. Mitglied der B’ne B’rith Loge, des Vereines österreichischer und deutscher Chemiker, Vizepräsident der isr. Kultusgemeinde Mährisch Ostrau, Ehrenbürger der früheren Gemeinde Oderfurt, Obmann des Vereines der jüdischen Gewerbeschulen, Mitglied des Verzehrungsssteuer-Beirates im k.k. Ost. Finanzministerium, Mitglied der österreichischen, deutschen und internationalen kommission für die Materialprüfungen der Technik, wh.: Mährisch Ostrau, Maticeg. 2.

 

Kathi Wolf (Gisela, so in den Hochzeitsmatriken, und in Wolf E., Die Familie Wolf, Wien 1924, 45 und 61, offenbar der Rufname der Tochter, wie wir der Sterbeanzeige von Ignaz Wolf, geb. 27. Februar 1873 (so Geburtsmatriken, bei Wolf 22. Februar!) in Oberberg-Eisenstadt, geh. 25. August 1896 Dr. Benjamin Gomperz im Stadttempel in Wien (Seitenstettengasse), dort in den Matriken eingetragen, Hochzeitsfeierlichkeiten: Praterstraße, Hotel Continental, wh.: Wien I, Falkestraße 3.
Dr. Benjamin Gomperz, geb. 06. Oktober 1861 in Wien (Sohn von Leopold Gomperz, Pressburg, Versicherungsagent und Rosa, geb. Gomperz aus Waag-Neustadtl). Universität Wien (med. Fakultät), Assistent bei Prof. Gruber und Politzer 1886-1890, Dozent für Ohrenheilkunde, seit 1892 Leiter der Abteilung für Ohrenkranke am I. öffentlichen Kinderkrankeninstitut, am 28. Oktober 1907 ernannt zum Universitätsprofessor. Zahlreiche Publikationen zur Ohrenheilkunde, Monographien: “Grundriss der pathol. Histologie des Gehörganges” und “Pathologie und Therapie der Mittelohrentzündungen im Säuglingsalter; Mitglied der Gesellschaft der Ärzte, Wien, des Wiener med. Doktorenkollegiums, der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde, der österreichischen otologischen Gesellschaft etc., wh.: Wien I, Falkestraße 3.
Kathi (Gisela) Wolf und Prof. Dr. Benjamin Gomperz hatten 2 Söhne (Theodor und Paul) und eine Tochter, die am 16. März 1902 als Lucie Marie Gomperz geboren und später als Keramikerin unter dem Namen Lucie Rie weltbekannt wird (geh. am 07. September 1926 im Stadttempel Wien Hans Rie). Sie starb am 01. April 1995 in London. Mehr zu Lucie Rie und insbesondere zum guten Verhältnis zu ihrem Onkel Sándor Wolf, siehe unseren Blogartikel “Nathan und die Wölfe von Eisenstadt“.

 

Frieda/Frida Wolf, geb. 27. Jänner 1877 in Eisenstadt (Geburtsmatriken, Mutter: statt “Hermine” “Henriette”!), geh. 13. Februar 1898 Alfred Löwy im Stadttempel in Wien, wh.: Wien IX, Porzellangasse 8. Frieda Löwy-Wolf starb, wie ihr Bruder Sándor, in Haifa am 11. Juli 1963.
Alfred Löwy, geb. 15. Juli 1871 in Wien (Sohn von Leopold Löwy aus Pressburg und Hermine Lederer aus Böhmisch Leipa, Großvater mütterlicherseits: Ignaz Lederer, Gründer der Jungbunzlauer Spiritusfabrik, Großmutter mütterlicherseits: Marie Mauthner; Großvater väterlicherseits: Lazar Löwy aus Pressburg, Großmutter väterlicherseits: Chulde Strauss, Frankfurt/Main). Leutnant der Reserve im 3. Tiroler Kaiserjäger Regiment; kaufmännische Ausbildung in Fürth, London und den USA; Kaufmann, Prokurist der Fa. Mendl & Löwy, gest. im Alter von 30 Jahren am 17. November 1901.
Mehr zu Frieda Löwy-Wolf und das Erbe ihres Bruders Sándor Wolf siehe unseren Blogartikel “Nathan und die Wölfe von Eisenstadt“.

 

Alice (Elke) Wolf, gest. 09. Juli 1906

 

Helene Wolf, geb. 06. Juli 1881, bei Wolf E., Die Familie Wolf, Wien 1924, 87 ist es 06. Juli 1882! Das ist jedoch definitiv falsch. Der Grund für den Irrtum dürfte sein, dass auf den Geburtsmatrikenblättern im Jahr 1881 das Jahr (1881) oben nicht angegeben ist, das Protokoll vom (vergangenen) Jahr aber immer am Beginn des nächsten Jahres vom Rabbiner unterschrieben wird, allerdings aber eben auf der letzten Seite des vergangenen Jahres. So finden wir nach der letzten Geburt 1881 die Unterschrift mit Datum 1882. Das Jahr 1882 ist allerdings am Kopf der Seite deutlich als 1882 gekennzeichnet (Unterschrift von Rabbiner Salomon Kutna am Beginn 1882 für den Abschluss 1881). Außerdem finden wir in den Heiratsmatriken das richtige Geburtsjahr für Helene, also 1881. Weiters findet sich in Geburtsmatrikeneintrag als Mutter “Neubauer” statt “Neubrunn”, eine Verschreibung des Matrikenführers.
Am 02. Mai 1905 heiratete Helene Wolf den am 21. Februar 1874 in Wien geborenen und in Triest zuständigen Otto Stern im Stadttempel in Wien (Sohn von Michael Stern aus Austerlitz bei Brünn, Kaufmann und Friederike Stern aus Kremsier, Großvater väterlicherseits: Elkan Stern, Lehrer der jüdischen Gemeinde Austerlitz, Großmutter väterlicherseits: Anna Kadisch; Großvater mütterlicherseits: Markus L. Stern, Weinhauer in Kremsier, Großmutter mütterlicherseits: Pauline Hartmann, Tochter des Simche Hartmann, Weinhauer in Kremsier. Ausbildung: Handelsakademie Wien, Leutnant der Reserve, Kaufmann, Verwaltungsrat der Koliner Spiritus- und Pottasche-Fabrik A.G., der A.G. für Spiritus und chemische Industrie in Krakau, Geschäftsführer der Kraluper Spiritusindustrie Ges.m.b.H.; wh.: Mährisch Ostrau, Hviezdoslavgasse 29.

 

Brüder:

Leopold (Löb) Wolf, gest. 14. Mai 1926

 

Nathan (Alexander/Sándor), geb. 21. Dezember 1871. Dieses Geburtsdatum findet sich überall, wo über Sándor Wolf geschrieben wird, auch auf Dokumenten, für die er offensichtlich selbst seine Daten zur Verfügung stellte, wie etwa dem Gedenkbuch der Universität Wien.

Allerdings finden wir in den Geburtsmatriken nur einen Eintrag vom 30. Dezember 1871 mit Geburt Nathan Wolf!, Vater: Ignaz Wolf, Mutter: Hermine Neubrunn! Entweder das tradierte Geburtsdatum 21. Dezember ist falsch, oder aber ‒ wohl wahrscheinlicher ‒ in den Matriken wurde das Beschneidungsdatum anstatt des Geburtsdatums eingetragen?
Der jüdische Name “Nathan” von Alexander/Sándor Wolf ist – erstaunlich genug – bis dato offenbar völlig unbekannt, außer auf einem einzigen privaten genealogischen Eintrag (und dort “
Nathanel“) ist er nirgends zu finden.

 

Über die letzten Jahre und Sándor Wolfs Absicht nicht mehr nach Eisenstadt zurückzukehren, siehe unseren Blogartikel “Nathan und die Wölfe von Eisenstadt

 

Mehr Informationen über die Schwestern und Brüder von Chaja Sara Wolf finden Sie bei Ihrem Vater Ignaz Wolf, gest. 18. Jänner 1906.

 

Personenregister älterer jüdischer Friedhof Eisenstadt

 

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