Der Transkribierer

lesen-und-verstehen

 

Hilfestellungen für das Lesen hebräischer Grabinschriften

Hier möchte ich Interessierten, die nicht Hebräisch können, die wichtigsten Hilfestellungen geben, um in hebräischen Grabinschriften vor allem den Namen lesen sowie das Sterbedatum erkennen und umrechnen zu können.[1]

 

Das Alef-Bet und die Zahlenwerte

 
 

ZahlenwertAusspracheName
Buchstabe
1Stimmabsatz (wie in "be'achten, be'enden") / oft stumm / AALEF
א
2B / V, WBET
ב
3GGIMEL
ג
4DDALET
ד
5H / am Schluss stummHE
ה
6W / V / O, UWAW
ו
7S /wie in "lesen")SAJIN
ז
8CH (wie in "ach")CHET
ח
9TTET
ט
10J / IJOD
י
20K (wie in "Kind")KAF
כ
20CH (wie in "ich")KAF FINAL
ך
30LLAMED
ל
40MMEM
מ
40MMEM FINAL
ם
50NNUN
נ
50NNUN FINAL
ן
60S (wie in "essen")SAMECH
ס
70Stimmabsatz wie Alef, s.o. / EAJIN
ע
80PPE
פ
80FPE FINAL
ף
90ZZADI
צ
90ZZADI FINAL
ץ
100K (wie in "Karl")KOF
ק
200RRESCH
ר
300SCH / S (wie in "Bus")SCHIN / SIN
ש
400TTAW
ת
ZahlenwertAusspracheName
Buchstabe

 

Beachte:

  • Hebräisch wird von rechts nach links gelesen.
  • 5 Buchstaben haben am Ende eines Wortes eine sogenannte Final-Form.
  • Einige Buchstaben (Konsonanten) können auch einen Vokal anzeigen.
  • Im Modernhebräischen haben die Final-Buchstaben andere Zahlenwerte, in Grabsteininschriften werden aber nur die oben angeführten verwendet.
 

Schreibung von Namen:

 

Beachte:
In hebräischen Grabinschriften werden ausschließlich die hebräischen Namen angeführt, nie die bürgerlichen! Siehe dazu vor allem den Artikel “Hilfe ich kann nicht Hebräisch…“.

 

Name deutschName hebräischName deutschName hebräisch
Schlomo = Salomo(n)
שלמה
Mose
משה
Schmu'el = Samuel
שמואל
Löb / Löv / Löw / Leib
ליב
Zvi
צבי
Wolf
וואלף
Me'ir, Mayer
מאיר
Hirsch / Hersch
הירש \ הרש
Lea
לאה
Sara
שרה
Abraham
אברהם
Rivka = Rebekka
רבקה
Jizchak = Isak
יצחק
Debora
דבורה
Mordechai
מרדכי
Malka
מלכה
Chawa = Eva
חוה
Resl / Rös(e)l
ריזל
Chana = Hanna
חנה
Jakob / Jakab
יעקב \ יאקב
Mirjam = Maria
מרים
David
דוד
Wolf (Vor- oder Nachname)
וואלף
Ester
אסתר

 

Beispiele aus der Praxis

 
 

Jüdischer Kalender ‒ Umrechnung jüdisches und bürgerliches Jahr

 

Monatsname deutschEntsprechung im bürgerlichen JahrMonatsname hebräisch
TischreSeptember / Oktober
תשרי
Cheschwan / MarcheschwanOktober / November
חשון \ מרחשון
KislewNovember / Dezember
כסלו
TevetDezember / Jänner
טבת
Adar (I)Februar / März
אדר (א)
Adar (II)März (in einem Schaltjahr)
אדר (ב)
NisanMärz / April
ניסן
Ijjar / Siw (nach 1 Könige 6,1.37)April / Mai
אייר \ זו
SiwanMai / Juni
סיון
TammusJuni / Juli
תמוז
Av / Menachem AvJuli / August
אב \ מנחם אב
ElulAugust / September
אלול
Monatsname deutschEntsprechung im bürgerlichen JahrMonatsname hebräisch

 

Die heute übliche jüdische Zeitrechnung geht von der Schöpfung der Welt aus, die aufgrund der in der Bibel angeführten und zusammengezählten Lebensjahre der Menschengeschlechter auf das Jahr 3.761 vor der christlichen (bürgerlichen) Zeitrechnung angesetzt wird. Durchgesetzt hat sich diese Zählung jedoch nicht vor dem 11. Jahrhundert. Die Umrechnung ist denkbar einfach:

Das jüdische Jahr 5000 = das bürgerliche Jahr 1240.

Zu 1240 werden also nur mehr die Hunderter-, Zehner- und Einerzahl des jüdischen Jahres hinzugezählt, um das bürgerliche Jahr zu erhalten. Zum Beispiel:

Jüdisches Jahr 5785 = 1240 + 785 = bürgerliches Jahr 2025.

Vorweg: ein Datum in einer hebräischen Grabinschrift wird immer und ausschließlich mit hebräischen Buchstaben geschrieben, deren Zahlenwerte addiert werden,.

Die “5”, also die Tausenderzahl (es müsste 5785 heißen), wird meist nicht geschrieben. Ähnlich wie man statt 2025 einfach 25 schreibt. Fast immer werden dann nach der Jahreszahl die drei hebräischen Buchstaben לפ”ק angefügt. Diese Abkürzung bedeutet wörtlich “nach der kleinen Zeitrechnung” und meint “ohne Tausender”, also etwa 785 תשפ”ה statt 5785.

Wird die “5” doch geschrieben, ist es die sogenannte “große Zeitrechnung” (hebräisch abgekürzt לפ”ג) und die “5” wird mit dem hebräischen Buchstaben ה “He” geschrieben. Zum Beispiel: התשפ”ה = 5785 = 2025.

Ein Beispiel aus einer hebräischen Grabinschrift:

Ausschnitt Grabinschrift Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 11. Siwan 674 = Freitag, 05. Juni 1914, jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Ausschnitt Grabinschrift Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 11. Siwan 674 = Freitag, 05. Juni 1914, jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt

Wir sehen also das rot umrandete Sterbedatum תרעד und danach die 3 Buchstaben (s.o.). Nun zählen wir die Zahlenwerte der Buchstaben zusammen (Taw, Resch, Ajin und Dalet): 400 + 200 + 70 + 4 = 674. 1240 (= jüdisches Jahr 5000) + 674 = 1914.
Siehe den Grabstein von Charlotte (Schwarzl) Spitzer am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt.

Angemerkt sei noch, dass das (bürgerliche) jüdische Jahr am 1. Tischre beginnt (Rosch Haschana), daher in den September / Oktober fällt.
Das bedeutet, dass ein Datum in den Monaten Tischre, Cheschwan, Kislew und Tevet noch in das “alte” bürgerliche Jahr, aber schon ins neue jüdische Jahr fällt. Der 20. Kislew 5786 ist umgerechnet der 10. Dezember 2025 (und nicht 26!).

Für mehr Informationen über den jüdischen Kalender siehe meinen Artikel “Über den jüdischen Kalender“.

 

Abkürzungen und häufig verwendete Formulierungen

In hebräischen Grabinschriften finden wir sehr viele Abkürzungen. Meist werden diese mit Anführungszeichen (doppelt oder einfach) gekennzeichnet.

 

Einleitungsformel

 

Hier liegt begrabenpo nikbar / nikberet (m/f) / po nitman / nitmena
פ"נ \ פה נקבר \ נקברה \ נטמן \ נטמנה
Hier ist geborgenpo tamun / tmuna (m/f)
פ"ט \ פה טמון \ טמונה
Hier ruht / liegtpo schochev / schochevet
פ"ש \ פה שוכב \ שוכבת

 
Beispiele
 
 

Status- und Altersangaben, Titel, Attribute…

 

Sohn vonben / bar
בן \ בר
Tochter vonbat
בת
Frauischa
אשה
Ehefrau des Herrn Abrahameschet rev avraham
אשת ר’ אברהם
Frau Saramarat sara
מ’ \ מרת שרה
Mannisch
איש
Der teure Mannha-isch ha-jakar
האיש היקר
Die teure Frauha-ischa ha-jekara
האשה היקרה
Der aufrichtige Mannha-isch ha-jaschar
האיש הישר
Herrrev
ר’ \ רב
Ein angesehener Mannisch nichbad
איש נכבד
Ein treuer / ehrlicher Mannisch emunim
איש אמונים
Eine angesehene Frauischa chaschuva
אשה חשובה
Eine bescheidene Frauischa znu'a
אשה צנועה
Eine tüchtige Ehefrau (Sprüche 12,4.31,10)eschet chail
א"ח \ אשת חיל
Die Krone ihres Ehemanns (Sprüche 12,4)ateret ba'ala
עטרת בעלה
Eine herzensweise Frau (Exodus 25,25.35)ischa chochmat lev
אשה חכמת לב
Die Rabbinersgattin / die Rebbeninha-rabanit
הרבנית
Ein weiser Mannisch chacham
איש חכם
Der ehrenhafte Herrkvod ha-rav
כ"ה \ כה"ר (כבוד הרב)
Der Junggeselle / der unverheiratete Mannha-bachur
הבחור
Die unverheiratete Frauha-betula
הבתולה
Der Erhabene (für Männer in höherem Alter)ha-merumam
המרומם
Der alte Mann / die alte Frauha-isch ha-saken / ha-ischa ha-skena
האיש הזקן \ האשה הזקנה
Der hochbetagte Mannha-jaschisch
האיש הישיש
Er starb in gutem Altermet seva
מת שיבה
Er starb in der Blüte seiner Tage / sie starb in der Blüte ihrer Tagemet bi-dme jamav / meta bi-dme jameha
מת בדמי ימיו \ מתה בדמי ימיה
(Der Mann / die Frau), der / die genannt wird (vulgo, recte)ha-mechune / ha-mechuna
המכונה
Der Leviteha-levi
הלוי
Segal, wörtl.: Vertreter des Stammes Leviseg"al (sgan levi'a)
סג"ל (סגן לוויה)
Der Kohenha-kohen
הכהן
Katz, wörtl.: der gerechte Priesterkatz (kohen zedek)
כ"ץ (כהן צדק)
Der Einflussreicheha-kazin
הקצין
Der Vornehmeha-aluf
האלוף
Der CHAVER (religiöser Grad in der Gemeinde)he-chaver
החבר
Vorsitzender des (rabbinischen) Gerichtshofesav bet din
אב"ד \ אב בית דין
MORENU ("unser Lehrer und Meister") Titel für besondere Gelehrsamkeitmorenu we rabenu hu haja
מורה"ה [מורנו ורבינו הוא היה]
Die große Leuchteha-ma'or ha-gadol
המא"ג (המאור הגדול)

 
Beispiele
 


 

Segenswünsche (nach dem Namen)

 

Auf ihm / ihr sei Friedealaq / aleha ha-schalom
ע"ה [עליו \ עליה השלום]
Sein / ihr Andenken sei zum Segensichrono / sichrona livracha
ז"ל [זכרונו \ זכרונה לברכה]
Das Andenken des Gerechten sei zum Segensecher zadik livracha
זצ"ל [זכר צדיק לברכה]
Seine / ihre Seele sei Eden / Seine / ihre Ruhe sei Edennischmato / nischmata eden / nucho / nucha eden
נ"ע [נשמתו \ נשמתה עדן] \ [נוחו \ נוחה עדן]
Sein Licht möge leuchten (= er lebt noch)nero ja'ir
נ"י [נרו יאיר]
Ihr Fels (= Gott) und ihr Erlöser möge sie beschützen / sein Fels (= Gott) und sein Erlöser möge ihn beschützenjischmera zura we-go'ala / jischmerehu zuro we-go'alo
יצ"ו (ישמרה צורה וגואלה \ ישמרהו צורו וגואלו)
Sein Fels (= Gott) möge ihn beschützen und ihn auferweckenjischmerehu zuro we-jichejehu
יצ"ו (ישמרהו צורו ויחיהו)

 
Beispiele
 


 

Das Sterben

 

Er / sie starbmet / meta
מת \ מתה
Er starb und wurde begraben / sie starb und wurde begrabenmet we-nikbar / meta we-nikbera
מת ונקבר \ מתה ונקברה
Seine / ihre Seele ging hinwegjaz'a nafscho / nafscha
י"נ [יצאה נפשו \ נפשה]
Er / sie ging in seine / ihre Welthalach / halcha le-olamo / le olama
הלך \ הלכה לעולמו \ לעולמה
Er verstarb und wurde begrabenniftar we-nikbar
נ"ו \ נו"נ \ נפטר ונקבר
Er starb in gutem Namen (nach babylonischer Talmud, Traktat Avot II,8)niftar be-schem tov
נבש"ט \ נפטר בשם טוב
Er wurde eingesammeltne'esaf
נאס’ \ נאסף
Er wurde eingesammelt zu seinem Volk (nach Genesis 35,29)ne'esaf el amav
נא"ע \ נאסף אל עמיו

 
Beispiele
 


 

Das Sterbedatum

 

Tag 1 (= Sonntag)jom rischon
יום ראשון \ יום א
Tag 2 (= Montagjom scheni
יום שני \ יום ב
Tag 3 (= Dienstag)jom schlischi
יום שלישי \ יום ג
Tag 4 (= Mittwoch)jom revi'i
יום רביעי \ יום ד
Tag 5 (= Donnerstag)jom chamischi
יום חמישי \ יום ה
Tag 6 (= Freitag)jom schischi bzw. erev schabbat kodesch
יום שישי \ יום ו \ ערב שבת קדש
Schabbatschabbat
שבת
Heiliger Schabbatjom schabbat kodesch
יום שבת קדש
Vorabend des heiligen Schabbat (= Freitag)erev schabbat kodesch (s.o.)
עש"ק [ערב שבת קדש]
Ausgang des heiligen Schabbatmoza'e schabbat kodesch
מש"ק [מוצאי שבת קדש]
In der Nacht zum 1. Tag von Pesach (14.-15. Nisan)be-lel alef schel pesach
בליל א של פסח
Nacht zum letzten Tag von Pesach (21.-22. Nisan)lel acheron schel pesach
ליל אחרון של פסח
Am Lag ba-Omer (33. Omer = 18. Ijjar)be-jom lag ba-omer
ביום לג בעומר
Jahr / im Jahr 653 = 1893schnat / bischnat 653
שנה (ש) \ בשנת תרנג
Monatchodesch
חדש
Neumondtag (1. des Monats bzw. bei Monaten mit 30 Tagen 2 Neumondtag, und zwar der letzte des Vor- und der 1. des neuen Monats)rosch chodesch
ר"ח \ ראש חדש
Vorabend des Neumondtageserev rosch chodesch
ער"ח (ערב ראש חדש)

 
Beispiele
 


 

Schlusseulogie

Die sogenannte Schlusseulogie (der Schlusssegen, “das gute Wort”, fast immer am Ende der Inschrift) ist angelehnt an 1 Samuel 25, 29 und wird ab dem späteren Mittelalter immer häufiger verwendet.

 

Seine / ihre Seele möge eingebunden sein im Bund / Bündel des (ewigen) Lebenstehi nafscho / nafscha zrura bi-zror ha-chajim
ת"נ"צ"ב"ה" [תהי נפשו \ נפשה צרורה בצרור החיים]

 
Beispiele
 


 


 

[1] Zum Thema gibt es seit seit 2019 schon zwei ausführliche Einführungen, die verschriftlichten Fassungen meiner beiden bei der 39. Internationalen Konferenz zur jüdischen Genealogie in Celveland, Ohio, gehaltenen Vorträge:

In beiden Dateien sind am Schluss auch PDF-Dateien zum Download zur Verfügung gestellt, die hier, auf dieser Seite, überarbeitet, aktualisiert und v.a. mit vielen Übungsbeispielen ergänzt und möglichst praxistauglich angeboten werden.[Zurück zum Text (1)]

Angefügt werden darf noch, dass diese Seite eigentlich nur deshalb entstanden ist, weil es auf meiner wunderschönen neuen Lesezeichen-Visitenkarte einen QR-Code gibt, der zu dieser Seite führt und Interessierte daher am jüdischen Friedhof, also “vor Ort” gleich ein praxistaugliches Tool zur Hand haben.
Vielen Dank an Tanja Dittrich, blickfang.at, für die Mühe und die wunderbaren Ideen, die sie für die Gestaltung hatte!