Der Transkribierer

Jüdischer Friedhof Kobersdorf – Übersicht

Bitte beachten Sie auch die 2019 entstandenen Artikel rund um den jüdischen Friedhof in Kobersdorf:

 

Der jüdische Friedhof Kobersdorf ist wohl einer der beeindruckendsten und “schönsten” jüdischen Friedhöfe in Österreich. Ein Waldfriedhof mit heute etwa 650 Grabsteinen, die so wie alle jüdischen Friedhöfe im Burgenland, ausschließlich hebräische Grabinschriften haben.

Ursprünglich befanden sich am Friedhof etwa 1.400 Grabsteine.
Wie schon andernorts angemerkt, flossen von 2014 bis 2018 in die Instandhaltung des jüdischen Friedhofes Kobersdorf (Gärtnerarbeiten, Baumpflegemaßnahmen, Steinmetzarbeiten und eine statische Sicherung der Grabsteine) allein vom Friedhofsfond 487.239,54 Euro.

Es ist vieles neu am Friedhof. Die Inschriften sind zum Teil besser lesbar, da sie vom Efeu befreit wurden, “herumliegende” Grabsteine wurden gebündelt an der vorderen Friedhofsmauer aufgeschlichtet (leider so, dass man die Inschriften nicht mehr lesen kann). Die Grabsteine bekamen Nummern zugewiesen, allerdings fehlen Nummern auf kleineren Fragmenten, die ebenfalls von ihrem ursprünglichem Standort zur vorderen Friedhofsmauer gebracht wurden. Und unter diesen “nummernlosen” Fragmenten befindet sich auch das ausgesprochen bedeutende Grabsteinfragment des einzigen historischen Genisagrabes in Österreich vom 20. April 1938!. Ich habe es Ende Oktober 2019 entdeckt, die Geschichte dahinter ist eine höchst dramatische und traurige, denn der letzte Rabbiner von Kobersdorf, Simon Goldberger, wurde an diesem Tag von Nazis an die ungarische Grenze verschleppt und schwerst misshandelt. Siehe auch den Blogartikel “Rabbiner Simon Goldberger“.

Bis heute fehlt eine Dokumentation des jüdischen Friedhofes. Es müssen dringend alle Grabsteine fotografiert, die hebräischen Inschriften transkribiert und möglichst übersetzt werden. Vor allem, weil die Inschriften, wie überall, zunehmend schlechter lesbar sind und wir sonst bald nicht mehr wissen, wer auf dem Friedhof begraben liegt. Wichtig vor allem ist, dass eine Dokumentation der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Menschen haben das Recht, die Gräber ihrer Vorfahren zu kennen und am Friedhof finden zu können.

Update Dezember 2022: Der Leiter Stabsstelle Friedhofsfonds des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus schreibt in einer Email am 27. Juni 2022, die ich tags darauf ‒ weitergeleitet ‒ erhielt:

Die Zahlen auf dem Plan korrespondieren mit der Tomb-Datenbank der IKG Wien.

In der Friedhofsdatenbank der IKG kann ich aber nicht nur keine korrespondierenden, sondern überhaupt keine Namen finden. Dasselbe gilt auch für den jüdischen Friedhof Lackenbach. Zumindest gilt für das Frontend der Datenbank, dass der oben zitierte Satz nicht stimmt.

Nicht nur weil es ohnehin höchste Zeit ist, sondern auch, weil es wenig überraschend im Jahr 2019 vorwiegend Anfragen zum jüdischen Friedhof Kobersdorf gab, startet hier mit heutigem Tag das natürlich öffentlich zugängliche Projekt “vollständige Dokumentation des jüdischen Friedhofes Kobersdorf”. Wie immer ohne jegliche Zusatzfinanzierung…

 

Bitte beachten Sie auch die 2019 entstandenen Artikel rund um den jüdischen Friedhof in Kobersdorf:

 

Johannes Reiss, geschrieben am 19. Dezember 2019