Who by fire

Who by fire

Ich wünsche allen

גמר חתימה טובה

gmar chatima towa

dass die Einschreibung im Buch des Lebens gut abgeschlossen sein möge

 

Seit vielen Jahrzehnten liebe ich liebe den 2016 verstorbenen Sänger und Songwriter Leonard Cohen. Schon vor 14 Jahren, Ende August 2009, schrieb ich über die jüdischen und die historischen Bezüge zu seinem Lied “Dance me to your beauty with a burning violin“.
Und schon damals verwies ich auf Cohens Lied “Who by fire”, um das es heute geht.


 

Am kommenden Montag ist der 10. Tischre und damit Jom Kippur, der höchste feierlichste und höchste Tag des jüdischen Kalenders. Das feierlichste Gebet, das sowohl zu Rosch Haschana als auch am Jom Kippur gesprochen wird, ist “Unetaneh tokef”[1] (“Wir wollen die Macht der Heiligkeit des Tages schildern”).

Die Entstehung dieses Gebetes (es ist genau genommen ein Pijjut, also eine für die Liturgie bestimmte Dichtung) geht auf eine Legende[2] zurück:


Der große und fromme Gelehrte Rabbi Amnon (irgendwann zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert angesiedelt) wurde sowohl von Juden als auch von Nichtjuden geachtet. Der hessische Herzog, in anderen Varianten der Erzbischof von Mainz, lud den Rabbi oft zu sich ein und ließen sich von ihm in politischen Fragen beraten.
Die enge Freundschaft mit dem Herzog bzw. Bischof war deren engsten Vertrauten ein Dorn im Auge und sie überredeten den Herzog bzw. den Bischof, dass er von Rabbi Amnon verlangen sollte, das Christentum anzunehmen.

Dieser weigerte sich, obwohl ihm der Herzog/Bischof versprach, ihn dann zum reichsten und mächtigsten Mann des Reiches zu machen.
Nach erneutem Drängen des Herzogs/Bischofs bat Rabbi Amnon um 3 Tage Bedenkzeit. Er ließ aber diese 3 Tage vergehen, ohne in den Palast zurückzukehren und verbrachte stattdessen die Zeit mit Buße und Reue ob seiner getroffenen Zusage, über die Konversion zumindest 3 Tage nachzudenken.

Daraufhin ließ ihn der Herzog/Bischof gewaltsam in den Palast bringen, wo Rabbi Amnon aber weiter darauf beharrte, Jude zu bleiben.
Dies erzürnte den Herzog/Bischof dermaßen, dass er den Rabbi bestrafte und ihm die Gliedmaßen abschneiden ließ. Das schlimme Schicksal des Rabbis verbreitete sich rasant in der Stadt und alle Juden versammelten sich in der Synagoge. Rabbi Amnon bat auch ihn dorthin mitzunehmen.

Es war Rosch Haschana.

Als der Vorbeter mit seinem Vortrag beginnen wollte, unterbrach ihn Rabbi Amnon, sprach inbrünstig das Gebet “Unetane tokef” und starb.

 

 

Unetane tokef besteht aus 4 Strophen bzw. Absätzen. Im zweiten Absatz heißt es:

בְּרֹאשׁ הַשָּׁנָה יִכָּתֵבוּן, וּבְיוֹם צוֹם כִּפּוּר יֵחָתֵמוּן. כַּמָּה יַעַבְרוּן, וְכַמָּה יִבָּרֵאוּן, מִי יִחְיֶה, וּמִי יָמוּת, מִי בְקִצּוֹ, וּמִי לֹא בְּקִצּוֹ, מִי בַמַּיִם, וּמִי בָאֵשׁ,…

An Rosch ha-Schana wird es eingeschrieben und an Jom Kippur wird es besiegelt. Wie viele vergehen und wie viele geboren werden, wer leben und wer sterben wird, wer zu seiner Zeit und wer durch einen vorzeitigen Tod, wer durch Wasser und wer durch Feuer…

Leonard Cohen verarbeitete den Text dieses Gebetes in seinem Song “Who by fire”, das er 1974 im Album “New Skin for the Old Ceremony” veröffentlichte.[3]

And who by fire, who by water
Who in the sunshine, who in the night time
Who by high ordeal, who by common trial
Who in your merry merry month of may
Who by very slow decay
And who shall I say is calling?


Fußnoten

[1] Über den Pijjut “Unetaneh tokef” in der Wikepedia [Zurück zum Text (1)]

[2] Rabbi Amnon ;
Amnon von Mainz [Zurück zum Text (2)]

[3] Über die Entstehung des Liedes “Who by fire” siehe auch Das Gebet, das Leonard Cohen zu einem Song inspirierte [Zurück zum Text (3)]

 

5 Kommentare

  1. Dieter Schleusener

    Auch ich bin sehr dankbar für die gute Erklärung zum Lied von Cohen, obgleich ich kein Jude bin, dem jüdischen Glauben aber interessiert zugetan. Mich bewegt immer Cohens letzte CD mit ‘You want it darker’. Für mich ist es das beste Album von Leonard Cohen. Alles Gute.

  2. Pingback: Wer bei Feuer, wer bei Wasser - Nur ein Blog

  3. Bernhard Dobrowsky

    Lieber Mag. Reiss,

    leider bin ich seinerzeit (ist auch schon wieder ein Weilchen her…) im Café zur “Koscheren Melange” zu spät gekommen mit meinen Zeilen. Inzwischen ist der Sommer übers Land gezogen und wird sich schon bald verabschieden…
    Was ich sagen bzw. schreiben wollte, muss gesagt werden, und so möchte ich es jetzt hier tun:

    Lieber Johannes Reiss, danke, danke, danke für die vielen schönen und bereichernden Veranstaltungen, Ausstellungen, Lesungen, Buchpräsentationen, Führungen, Konzerte, Initiativen und Gespräche! Es waren unvergessliche, bleibende Eindrücke und beglückende Momente.
    Für die künftigen Jahre alles, alles Gute! Die Forschung und das Interesse gehen ja weiter, und es wird dafür jetzt umso mehr Zeit bleiben.
    Alles Liebe und nochmals ein ganz großes Danke!

    Bernhard Dobrowsky

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