Eisenstadt Meir – 07. Juni 1744

Eisenstadt Meir – 07. Juni 1744

Meir ben Jitzchaq Eisenstadt, 27. Siwan 5504 (= Sonntag, 07. Juni 1744)

E-35 (Wachstein 159)


 

Grabstein Rabbi Meir Eisenstadt, 07. Juni 1744, nach der Renovierung im Juni 2018
Grabstein Rabbi Meir Eisenstadt, 07. Juni 1744, nach der Renovierung im Juni 2018

 

Die Grabinschrift

Inschrift meirEisenstadt: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] Hier פה
[2] ist geborgen der bedeutende Rabbiner, נטמן הרב הגדול
[3] der MORENU, R(abbi) Meir, כמהר”ר מאיר
[4] V(orsitzender) d(es) G(erichtshofes) d(er heiligen) j(üdischen) G(emeinde) E(isen)s(tadt) א”ב”ד” ד”ק”ק א”ש
[5] und des Bezirkes (= der Siebengemeinden), d(as Andenken) d(es Gerechten) m(öge bewahrt werden). והמדינה זצ”ל
[6] Er verstarb und wurde begraben am מת ונקבר ביום
[7] Sonntag, dem 27. Siwan 544 א” ך”ז סיון ת”ק”ד
[8] n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). לפ”ק
[9] S(eine Seele) m(öge eingebunden sein) i(m Bündel) d(es Lebens). תנצבה
 

Anmerkungen

Die Anmerkungen von Wachstein zu Meir Eisenstadt umfassen immerhin 45 Buchseiten, die hier nicht wiedergegeben werden sollen.

Nur soviel:

Eine kurze Inschrift auf dem einfachen, von einem Gitter umschlossenen Sandstein gibt Auskunft über den Mann, der hier begraben liegt.

Hier ist geborgen der bedeutende Rabbiner MORENU Meir, Oberrabbiner der Gemeinde Eisenstadt und des Kreises. Er starb und wurde begraben am Sonntag, den 27. Siwan 504 nach der kleinen Zeitrechnung. Seine Seele sei eingebunden im Bunde des Lebens.

Bis auf das Wort “ha-Gadol” (groß, bedeuteund) als Epitheton zu “ha-Rab” (Rabbiner, Gelehrter) kein Wort des Lobes und kein Hinweis auf die literarische Bedeutung des Verstorbenen, offenbar auf dessen ausdrücklichen Wunsch. Gleichwohl hat die Gemeinde ihren ersten Rabbiner nicht vergessen, der auch dem Range nach ihr Erster blieb …

Wachstein B., Die Grabinschriften …, a.a.O., 47

Zeile 3: MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).

Zeile 7: Auffällig bei der Angabe des Tagesdatums ist, dass für die Zehnerzahl “20” ein Final-Kaf ך geschrieben wird, obwohl sich der Buchstabe nicht am Schluss befindet. Damit soll suggeriert werden, dass wir die Buchstabenkombination als Wort von links nach rechts (!) lesen: זך bedeutet “rein” (siehe Exodus 27,20: שֶׁ֣מֶן זַ֥יִת זָ֛ךְ כָּתִ֖ית “reines Öl aus gestoßenen Oliven”). Es wird also angedeutet, dass Meir mit “reiner Seele” verstarb.

Zur Bedeutung des mit Abstand berühmtesten Rabbiners Eisenstadts und wohl auch einem der bedeutendsten Gelehrten Österreichs lesen Sie bitte unseren Blogartikel: “Er führte mich in einen Ort der Gelehrsamkeit“.

Der Vollständigkeit halber und weil Rabbi Meir Eisenstadt weltweit große Bekanntheit zukommt, seien auch seine Frau sowie seine Kinder (die alle nicht auf dem älteren jüdischen Friedhof begraben sind) erwähnt:

 

Biografische Notizen

Die Gattin Meirs, die Tochter Moses Sochaczewers, hieß Finkel. Sie starb am 12. Nisan 490 = 30. März 1730 in Eisenstadt, ihr Grabstein ist jedoch nicht erhalten am älteren jüdischen Friedhof!
Der Konskriptionsliste vom 6. Dezember 1735 entnehmen wir, dass er zum zweitenmal verheiratet war. Als Mitglieder des Hausstandes werden angegeben: Gattin, zwei erwachsene Kinder, zwei Diener, ein Dienstbote, zusammen 7 Personen.

Die Kinder Meir ben Isaks sind:

Isak, war Rabbiner in Neswisch und später in Biala und Slawatycze. Er war mit Rachel, der zweiten Tochter des Zvi ben Jakob Aschkenasi (Chaham Zvi) verheiratet, von der einen einzigen Sohn hatte. Er war ein eifriger Parteigänger seines Schwagers Jakob Emden in dessen Kampfe gegen Jonathan Eibenschitz. Jakob Emden erwähnt einmal seine Schwester und berichtet, dass sie damals – etwa 1714 – bei ihrem Schwiegervater in Eisenstadt war. Damals war Rabbi Meir jedoch noch nicht in Eisenstadt. Allerdings ist zu beachten, dass Memoirenwerke oft bei Zeitangaben nicht verlässlich sind.

Michael, 1765 bereits verstorben. Von seinen Kindern war Moses Rabbiner in Klezk, Salomo Privatmann in Brest-Litowsk.

Elieser, der in Szydlowiec, der früheren Wirkungsstätte seines Vaters lebte. Ein Sohn Eliesers, Jakob, wohnt in London und gab daselbst 1770 das Werk “Toldot Jakob” heraus. Zu Jakobs Nachkommen zählte sich Moritz Grünwald (gestorben als Grandrabbin von Bulgarien am 19. Juni 1895 in London).
Ein Enkel Eliesers, der ebenfalls den Namen Elieser führte, war ein Schüler seines Großonkels Eleasar Kallir, dessen Manuskripte er ordnete. Er kam etwa 1788 aus Polen nach Kolin, um die Vorträge Kallirs zu hören.

Sabbatai, war Rabbiner in Biala in Litauen, später in Szerszow.

(Moses) Jehuda. Er war wie zwei seiner Brüder ebenfalls Rabbiner in Biala. Dort erlebte er am 8. Juni 1764, am Tage der polnischen Königswahl, eine schwere Plünderung, der sein ganzes Hab und Gut bis auf die eigenen Kleider sowie die seiner Frau und Kinder zum Opfer fiel. Den Plünderern fiel auch ein großer Teil des literarischen Nachlasses von Meir Eisenstadt zum Opfer.

Benjamin, Rabbiner in Lackenbach. Vor seinem Rabbinate in Lackenbach finden wir ihn zwischen 1728 und 1747 unter den Vorstehern der Gemeinde Ungarisch-Brod. Ein Sohn Benjamins war Salomo, der ein gelehrter Mann war, aber kein rabbinisches Amt bekleidete. Sein Schwiegersohn Jakob aus Schlaining bei Rechnitz war ein Schüler seines Großonkels Elasar Kallir. Benjamin Asch starb am 16. Nisan 530 (= Mittwoch, 11. April 1770) und ist am jüdischen Friedhof Lackenbach begraben.

Chawa, dürfte etwa 1722 in Eisenstadt geboren sein. Sie war in erster Ehe mit Eleasar, einem Enkel des Mattersdorfer Rabbiners gleichen Namens, in zweiter mit Wolf Helen, einem Nachkommen des berühmten Salomo Lurja verheiratet. Ihr Sohn aus erster Ehe Eleasar Kallir wurde etwa 1739 nach dem Tode seines noch vor Vollendung des 20. Lebensjahres verstorbenen Vaters geboren, verlebte die ersten 5 Jahre im Hause des Großvaters und fand nach dem Tode von Meir Eisenstadt in seinem Stiefvater einen wohlwollenden Mann, der an ihm Vaterstelle vertrat.
Eleasar Kallir war unstreitig der bedeutendste unter den Nachkommen Meir ben Isaks. Er war ein scharfer Dialektiker, ein glänzender Redner und besaß auch im Gegensatz zu so vielen Kapazitäten der alten Schule einen klaren, durchsichtigen Stil. Schon in jungen Jahren bekleidete er das Rabbinat in Zabludow in Litauen, kam von dort nach Rechnitz, wo er etwa 13 Jahre verblieb. 1778 erhielt er gleichzeitig Berufungen nach Wischnitz, Boskowitz und Kolin.
Der einzige Sohn Elasars war Alexander Süßkind, der Stammvater der bekannten Familie Kallir in Brody. Er starb 1845.

Auszugsweise zitiert aus: Die Grabschriften des alten Judenfriedhofes in Eisenstadt, bearbeitet von Dr. Bernhard Wachstein, Wien 1922, 47ff

 

Personenregister älterer jüdischer Friedhof Eisenstadt

 

6 Kommentare

  1. David Birnbaum

    Rabbi Moritz Gruenwald (see above note on Elieser) was my great uncle (my mother’s uncle). My father Professor Solomon/Salomo Birnbaum researched the family genealogy in the 1930s and it was published in Lodz in 1938 in a book of some of his father Nathan Birnbaum’s Yiddish religious essays titled Ais Laases. My father’s genealogical chart and text show the son of Rabbi Meier (“Maharam Asch”, from whom Rabbi Moritz (Mordechai) Gruenwald was descended, as Benjamin, not Elieser.

    Incidentally, there are very few surviving copies of Ais Laases because as Josef (Yossel) Friedenson, a Holocaust survivor of the Lodz ghetto told me, the stack of books from before the War awaiting distribution were burnt by them as firewood in the terrible cold winter.

    David Birnbaum,
    Director,
    Nathan & Solomon Birnbaum Archives,
    Toronto

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