Nachtgebet – Eine Einladung

Nachtgebet – Eine Einladung

Harri Stojka, Siegmund Kleinl und andere

10. April 2025, 18.30 Uhr

Pfarrkirche Lackenbach

Mahnmal für Rom:nja und Sinti:zze

Jüdischer Friedhof

Ich habe die große Ehre, an diesem Abend, dem Vorabend des 80. Jahrestages der Befreiung des KZ Buchenwald, am jüdischen Friedhof einige Worte sagen zu dürfen.

 

Plakat mit Harry Stojka für das Nachtgebet am 10. April in Lackenbach
Plakat mit Harry Stojka für das Nachtgebet am 10. April in Lackenbach

…Harri Stojkas Vater Johann “Mongo” Stojka überlebte den Völkermord der Nationalsozialisten an den Siti:zze und Rom:nja, den Porajmos. … Als 13-Jähriger verfasste er im Konzentrationslager Buchenwald ein kleines Buch mit Gedichten und Zeichnungen. Diese waren über acht Jahrzehnte verschollen und lagen in verschiedenen Archiven. Diese verschollenen KZ-Gedichte, die weltumspannende Musik Harri Stojkas sowie Texte von Siegmund Kleinl sind Herzstücke des Nachtgebets…

Den gesamten Text für das Nachtgebet “Zeugnis der Menschlichkeit” am 10. April in Lackenbach in Deutsch und Romanes bitte auf der Website der PH Burgenland abrufen.
Das Nachtgebet ist eine Veranstaltung der Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland, Idee: Adele Grill, BEd MAS. Alle Kooperationspartner entnehmen Sie bitte der verlinkten Website der PH Burgenland.

 

Am jüdischen Friedhof Lackenbach werden wir an der Grenze zwischen Romafriedhof und jüdischem Friedhof stehen. Zwei Orte, die nur aus religiösen Gründen durch einen dünnen Zaun getrennt sind, die aber gleichermaßen zwei Orte des Gedenkens sind.

Am Roma-Friedhof gibt es ein Denk-/Grabmal, das an die vielen tausend Sinti und Roma erinnert, die in verschiedene KZ deportiert und ermordet wurden. Einige wenige Einzelgräber erinnern ganz konkret an traurige Einzelschicksale.

Jüdischer Friedhof Lackenbach, vom Standort des 10. April 2025 aus fotografiert am 28. Februar 2025
Jüdischer Friedhof Lackenbach, vom Standort des 10. April 2025 aus fotografiert am 28. Februar 2025

Am jüdischen Friedhof, dem größten jüdischen Friedhof im Burgenland, gibt es kein explizites (dreidimensionales) Denkmal. Doch viele hebräische Grabinschriften erzählen uns von den Eltern, den Ehepartnern, den Geschwistern und den Kindern der hier Begrabenen, die die Schoa nicht überlebt haben.

Nur wenige Meter vom Standort entfernt befindet sich heute das Gasthaus Waya in der Bergstraße Nr. 7. Dieses Haus war bis 1938 das Haus des Lederwarengroßhändlers Leon Ullmann.

Leon Ullmann, geb. 04. Februar 1859, war einer der Söhne von Rabbiner David Ullmann. Dieser ist ganz vorne am jüdischen Friedhof, in der sogenannten Rabbinerreihe, neben seinem Vater, Rabbiner Abraham Ullmann und schräg gegenüber seinem Großvater, dem berühmten Rabbiner Scholem Ullmann, dem Scharfsinnigen, begraben.
Rabbiner David Ullmann folgte seinem Vater als Rabbiner nach dessen Tod 1849 und war Rabbiner bis zu seinem Tod am 13. Jänner 1901, somit mit über 50 Jahren der längst dienende Rabbiner der ehemaligen jüdischen Gemeinden des heutigen Burgenlandes! Neben ihm begraben ist seine Frau Juliane, geb. Wiener, und sein Vater Rabbiner Abraham Ullmann.

Leon wurde so wie seine Frau Hedwig Engelsmann und seine jüngste Tochter Mira Blum, geborene Ullmann in der Schoa ermordet.
Noch am 4. November 1938 hatte Leon Ullmann um Unterstützung zur Ausreise nach Antwerpen angesucht.

Empfehlung zur Ausreiseerlaubnis für Herrn Leo Ullmann, 4. November 1938
Empfehlung zur Ausreiseerlaubnis für Herrn Leo Ullmann, 4. November 1938

Ich ersuche höflichst Herrn Leo Ullmann und Frau 2 Fahrkarten nach Antwerpen auszufolgen. ‒ Herr Ullmann ist besonders anständig und wird bereits seit vier Monaten von uns befürsorgt. ‒ Moritz Pappenheim und Leopold Gederle.

Sehr früh, 1904 verstorben ist eine Schwester von Leon Ullmann, Tuschena (Eugenie?) Ullmann, geb. 17. April 1861 in Lackenbach, die nahe ihrer Eltern am jüdischen Friedhof in Lackenbach begraben ist und die erste Ehefrau des späteren Gründers und ersten Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Klagenfurt, des ebenfalls in Lackenbach 1858 geborenen Max Stössl war. Er hat ein Ehrengrab am jüdischen Friedhof Klagenfurt.

 

 

Bei der Arbeit an der Familie Ullmann tat sich vor allem die Frage auf: Wie ist es möglich, dass bei einer so prominenten Familie, die das Rabbinat in Lackenbach in drei Generationen und über 100 Jahre lang innehatten, die Familiengeschichte extrem lückenhaft ist?:

  • Bei Rabbiner Scholem Charif Ullmann, dessen Grab mit einem höchst beeindruckenden Grabstein alljährlich das Ziel vieler orthodoxer Pilger aus aller Welt ist, wird im Wikipedia-Artikel über ihn sein Wirkungsort Lackenbach gerademal am Rande erwähnt. Keine Erwähnung, wo Rabbi Schoem Ullmann begraben ist. Eine deutschsprachige Wikipediaseite zu Rabbiner Scholem Ullmann fehlt völlig.
  • Weder Leon Ullmann noch seine Frau Hedwig noch seine Tochter Mira finden sich in der Opferdatenbank des DÖW, auch nicht in der burgenländischen Opferdatenbank.
  • In den weltweit größten genealogischen Datenbanken wie geni.com finden sich nur 2 Kinder von Leon Ullmann und Hedwig Engelsmann. Das Ehepaar hatte aber nachweislich zumindest 6 Kinder! Siehe die Geburtseinträge bei David Ullmann. Mira Blum, geb. Ullmann, wiederum ist die Tochter von Leon Ullmann und nicht seine Schwester, siehe geni.com.
  • Obwohl in der Sterbeanzeige von Max Stössl vermerkt, fehlt in den Biografien von Max Stössl auf den großen genealogischen Portalen, dass er nicht “nur” Lederhändler, sondern vor allem Gründer und erster Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Klagenfurt im Jahr 1923 war und deshalb auch ein Ehrengrab am jüdischen Friedhof Klagenfurt erhielt.
 

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