Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Benjamin / Benjamen / Benö / Beni Deutsch, 12. Siwan 678 (= Donnerstag, 23. Mai 1918)
Standortnummer: 204
Foto 1993
Foto August 2017
Foto August 2017
Foto August 2017.
Grabstein von Benjamin Deutsch liegt
über den Grabsteinen von Arnold Fürst
und Adolf? Hess. Im Vordergrund
liegend der Grabstein von Moritz Fränkl.
Die Grabinschrift
[1] H(ier liegt) b(egraben) | פ”נ |
[2] der wunderbare und ausgezeichnete Rabbinische, ein Gerechter auf seinen Wegen und untadelig in seinen Taten, | הרבני המופלא ומופלג צדיק בדרכיו ותמים במעשיו |
[3] Der Erhabene, vom Volk zum Judenrichter erhoben und Vorstand seiner Gemeinde, | הקצין מורם מעם לפרנס ומנהיג עדתו |
[4] MORENU | מוה |
[5] Benjamin Deutsch, s(ein Andenken) m(öge bewahrt werden), | בנימן דייטש ז”ל |
[6] der in seine Welt ging, um geborgen zu sein im Schatten Gottes, | שהלך לעולמו לחסות בצל שדי |
[7] am 12. Siwan des Jahres 678 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). | יב סיון שנת תרעח לפ”ק |
[8] Benjamin, der Liebling G(ottes), wohne in Sicherheit und beschützter Ruhe. | בנימן ידיד ד’ ישכון לבטח במנוחה נכונה |
[9] Seine Seele möge im Guten ruhen, denn sein Same wurde zum Segen auf der Erde. | נפשו בטוב תלין כי זרעו בארץ לברכה |
[10] Weise tätigte er seine Hände, um seine Söhne und Töchter großzuziehen im Sinne der Tora und zu deren Bezeugung. | ידיו שכל לדגל בניו ובנותיו לתורה ולתעודה |
[11] Die Gebote G(ottes) erfüllte er mit vollkommenem Herzen und mit beständigem Geist. | מצות ד’ עשה בלב תמים וברוח נכונה |
[12] Redlich handelte er und wich nicht ab vom rechten Weg. | נשא ונתן באמונה ולא סר מארח ישרה |
[13] Sein gutes Andenken wird in Ewigkeit nicht enden und wird zum Segen sein. | זכרו הטוב לא יסוף לעד ויהיה לברכה |
[14] Zum Wohle wird er leben durch seine Kinder, bis jene erwachen, die in der Erde ruhen. | לטובה יחיה בפרי בטנו עד יקיצו ישיני אדמה |
[15] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
[16] Der Name seiner Mutter war Rachel. | ושם אמו ראכל |
Anmerkungen
August 2017: Der Grabstein ist vom Sockel und in zwei Teile zerbrochen. Der Kopfteil liegt an seinem Standort, der größere Teil des Grabsteins eine Reihe hinter seinem Standort als oberster Grabstein über den Grabsteinen von Arnold Fürst und Adolf (Mordechai; Nathan Abraham?) Hess (s.o. 4. Bild). Wir werden in den nächsten Wochen versuchen, die Grabsteine an ihren Standorten zu platzieren bzw. ev. sogar aufzustellen. Foto-Update folgt.
Zeile 4: MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).
Zeile 6: Psalm 91,1 בסתר עליון. Der Psalm ist einer der Psalmen im Morgengebet für Schabbat und Festtage und wird auf dem Weg von der Friedhofshalle zur Begräbnisstelle dreimal gesagt (nicht gesagt wird er am Freitagnachmittag oder am Tag vor einem Feiertag nach 12 Uhr). Vgl. auch Psalm 119,114 “Du bist mein Schutz und mein Schild…” סתרי ומגני אתה….
Zeile 8: Deuteronomium 33,12 “Für Benjamin sagte er (Mose): ‘In Sicherheit wohne der Liebling des Herrn…'” לבנימין אמר ידיד יהוה ישכן לבטח.
“Beschützte (oder “verdiente”) Ruhe” מנוחה נכונה aus dem Gebet “El Male Rachamim…” אל מלא רחמים…, das am Friedhof gebetet wird. Die Worte finden sich auch in anderen Friedhofsgebeten wie im “Herr, barmherziger Vater…” אנא אב הרחמים….
Zeilen 8-14: Akrostychon: Die Anfangsbuchstaben bezeichnen den hebräischen Vornamen des Verstorbenen (Benjamin) sowie die Abbreviatur für die Euphemie זכרונו לברכה “sein Andenken möge bewahrt werden”.
Zeile 9: Psalm 25,14 בטוב תלין.
Zeile 10: Genesis 48,14; wörtl.: “…er kreuzte seine Hände…” …שכל את ידיו…. Es handelt sich um die Segnung der beiden Josef-Söhne Efraim und Manasse durch Jakob. Raschi interpretiert die Stelle dem Targum folgend (“…er legte seine Hände mit Vorbedacht…” …אחכימנון… und meint, “dass er (Jakob-Israel) Weisheit und Einsicht in seine Hände legte…”. Sowohl der Targum als auch Raschi denken dabei an die hebräische Wurzel שכל, an der die Bedeutung “bedenken, verstehen” haftet.
Jesaja 8,20 לתורה ולתעודה. S. Kommentare zur Stelle.
Zeile 11: Vgl. Psalm 51,12 “…gib mir einen beständigen…Geist” …ורוח נכון….
Zeile 12: Vgl. babylonischer Talmud, Traktat Schabbat 31a “In der Stunde, wenn man einen Menschen zum Gericht bringt, fragt man ihn: ‘Hast du deinen Handel in Redlichkeit betrieben’?…” בשעה שמכניסין אדם לדין אומרים לו נשאת ונתת באמונה…. Es “… ist dies die erste Frage, die an den Menschen im Jenseits gerichtet wird.”
(Wachstein B., Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540(?)-1670, Quellen zur Geschichte der Juden in Deutsch-Österreich, hrsg. von der historischen Kommission der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, IV, Wien 1912, Seite 128)
Zeile 13: Vgl. Ester 9,28 “…ihr Gedächtnis (der Tage des Purimfestes) sollte bei ihren (der Juden) Nachkommen nie vergessen werden” …וזכרם לא יסוף מזרעם.
Zeile 14: Wörtl.: “Zum Wohle wird er leben durch die Frucht seines Leibes bis…”; gemeint ist dass er durch seine Nachkommen in gutem Gedächtnis bleiben wird; vgl. auch Daniel 12,2 “Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen…” ורבים מישני אדמת עפר יקיצו….
Biografische Notizen
Benjamin / Benjamen / Benö / Beni Deutsch, Händler, geb. 26. November 1847 in Eisenstadt, gest. mit 70 Jahren am 23. Mai 1918 um 09 Uhr an Magenkrebs.
Beni Deutsch war 1899 Bürgermeister der Großgemeinde Unterberg-Eisenstadt und Vorstand der Kultusgemeinde von 1910-1914, nach einer kurzen Unterbrechung wiederum bis 1915 und in den Jahren 1916-1917; Sterbeadresse: Unterberg-Eisenstadt
Jahrzeittafel Benjamin Deutsch
Jahrzeittafel-Installation in der Synagoge unseres Museums
Jahrzeittafel von Benjamin Deutsch – die Übersetzung:
[1] Jahrzei(t) des | יאהרציי’ של |
[2] MORENU Benjamin | מו’ה בנימין |
[3] Deutsch, | דייטש |
[4] Sohn der Rachel. | בן ראכל |
[5] 12. Siwan | י”ב סיון |
[6] 678 | תרעח |
Bemerkenswert vielleicht, dass der Vorname der Mutter, Rachel, in der hebräischen Grabinschrift, Zeile 16, und auf der Jahrzeittafel vollkommen gleich geschrieben ist (also ראכל mit א und כ, und nicht רחל).
Zeile 2: s.o. Anmerkung zu Zeile 4.
Ausführliche Informationen über die Jahrzeit und die Jahrzeittafel-Installation in der Synagoge des Museums finden Sie im Blogartikel Jahrzeit.
Vater: Ahron (Ahron ben Simeon Zvi Hirsch) Deutsch, gest. mit 64 Jahren am 29. August 1862, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Mutter: Regina (Rachel) Deutsch, gest. mit 53 Jahren am 17. April 1862, Tochter des Jehuda Meir Pollak und der Kröndel Pollak, alle begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Schwestern:
Johanna / Anna (Hendel) Rosenberger, geb. 19. März 1834, gest. 23. März 1915
Theresia / Resi Deutsch, geb. 02. März 1837, gest. 08. Oktober 1895 in Eisenstadt an einer Bauchfellentzündung
Rosalia (Reli) Deutsch, Handarbeiterin, geb. 12. Mai 1838, gest. 09. Dezember 1853 an einer Nervenkrankheit in Eisenstadt, Judengasse 29, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Brüder:
Moritz Deutsch, geb. 04. November 1840
Simon Deutsch, geb. 22. Juni 1842
Ehefrau: Anna / Amalia Spieg(e)l
Töchter:
Regina Deutsch, geb. 25. März 1882 in Oslip (in den Geburtsmatriken nachgetragen 1892, s.u.), geh. 10. Juli 1900 in Eisenstadt Istvan Schwarz, geb. 11. Dezember 1878 in Eger (Nordungarn), Sohn des Henrik Schwarz und der Johanna Herzfeld
Karolina Deutsch, geb. 17. Oktober 1884 in Unterberg-Eisenstadt
Katharina Deutsch, geb. 29. Jänner 1886 in Oslip
Klara Deutsch, geb. 03. März 1890 in Oslip, geh. 13. Februar 1907 in Eisenstadt Armin Kalisch, geb. 05. Dezember 1881 in Galanta (Westslowakei), Sohn des David Kalisch und der Rosa Weiß
Laura Deutsch, geb. 23. Februar 1892 in Oslip, geh. 21. Mai 1917 in Eisenstadt Salamon Breuer, geb. 03. August 1887 in Dunaszerdahely (dt.: Dunajská Streda bzw. Niedermarkt, Südslowakei), Sohn des Martin Breuer und der Evelina Fleischmann
Söhne:
Aron Deutsch, geb. 20. Jänner 1878 in Oslip
Michael / Mihály Deutsch, geb. 26. Dezember 1887 in Oslip
Material und Maße des Grabsteins
Gabbro, 158/72/37
Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt