Personenregister jüdischer Friedhof Kobersdorf
Saly (Sarel) Jaul, 29. Siwan 607 (= Sonntag, 13. Juni 1847)
Die Grabinschrift
[1] {Blume, von der Ewigkeitsschlange umgeben} | {פרח מוקף באורובורוס} |
[2] Hier liegt begraben ein Kind der Liebkosungen | פה נקברת ילד שעשועים |
[3] Sarel, | פערל |
[4] Tochter des erhabenen, d(es ehrbaren) H(errn) Samuel, u(nser Fels = Gott) m(öge ihn) s(egnen und beschützen). | בת המרומם כה שמואל יצו |
[5] Du hast uns eine trostlose Wüste gegeben. | שוממת עולה לנו נתת |
[6] Schau, dein Vater wurde zu einem verlassenen Ort, | ראה אביך לערירי שמת |
[7] zu einer Frau, die keine Kinder mehr bekommen konnte, wurde auch deine teure Mutter. | לעקרת גם אמך היקרה |
[8] Aber gesündigt hat sie! Was soll da herauskommen? | אבל חטא היא! ומה יצא |
[9] I(hre Seele) g(ing hinweg) a(m Vorabend) d(es heiligen) Sch(abbat), 28. Cheschwan 602 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). | ינ ביום א ערח <תמוז = סיון> תרז לפק |
[10] I(hre) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצב”ה |
Anmerkungen
Der Grabstein steht derzeit an der vorderen Mauer des Friedhofes, siehe dazu meine beiden Artikel “Jüdischer Friedhof Kobersdorf: Schwere Arbeit I” und “Jüdischer Friedhof Kobersdorf: Schwere Arbeit II”.
Zeile 1: Symbol “Die Ewigkeitsschlange umschlingt ein Blümchen”. Die Blume steht hier wohl als Symbol für Reinheit und Unschuld, die Ewigkeitsschlange beschützt die unschuldigen toten Kinder. Das Symbol der Blume finden wir häufig auf Grabsteinen von Mädchen. Siehe auch den Artikel “Dem Ouroboros auf der Spur” von Esther Heiss.
Zeile 2: Jeremia 31,20 (über Ephraim): יֶ֣לֶד שַׁעֲשֻׁעִ֔ים “ein liebes Kind”.
Zeile 8: Wie bei Peralina auch hier in Zeile 8 offenbar ein Verweis auf die Liturgie von Jom Kippur, bes. Ma’ariv für Jom Kippur-Abend אֲבָל אֲנַחְנוּ וַאֲבוֹתֵינוּ חָטָאנוּ: “Aber wir und unsere Väter haben gesündigt”. Vgl. auch bes. (ebenfalls im Zusammenhang mit der Jom-Kippur-Liturgie) Exodus 20,5; 34,7 u.a.: פֹּ֠קֵד עֲוֹ֨ן אָבֹ֧ת עַל־בָּנִ֛ים “…der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern…”.
Selbstverständlich fällt der Vergleich mit Zeile 8 in der Inschrift der Schwester Peralina sofort auf. Denn auch dort ist von Schuld und der Vergebung der Schuld die Rede. Siehe auch dort meine Anmerkung.
Auffällig, dass חטא ein maskulines Substantiv ist (Sünde), wir aber schon allein aufgrund des folgenden היא natürlich das feminine Verb חטאה “sie hat gesündigt” erwarten!
Zum Inhalt der Zeile ist noch anzumerken, dass die Zeile wirklich Sinn ergeben würde, wenn wir eine Verfehlung der Mutter kennen würden. Die Zeile bedeutet aber definitiv nicht, dass es eine solche Verfehlung überhaupt gab!
Zeile 9: Datumsfehler in der hebräischen Inschrift und Datumsdifferenz zum bürgerlichen Sterbedatum um fast einen Monat, daher Vorschlag zur Datumskorrektur in der hebräischen Inschrift:
Sonntag, Vorabend des Neumondtages Siwan 607, gibt es nicht. Der Vorabend des Neumondtages Siwan 607 war Schabbat, der 29. Ijjar = 15. Mai 1847. Der Neumondtag Siwan 607 ist der 1. Siwan = Sonntag, der 16. Mai 1847. Wenn Sarl Jaul am Vorabend des Neumondtages Siwan gestorben wäre, wäre sie am Schabbat, dem 29. Ijjar gestorben.
Das Sterbedatum im Sterbebuch ist hingegen Sonntag, der 13. Juni 1847. Das ist im jüdischen Kalender Sonntag, der 29. Siwan 607 und Vorabend des 1. Neumondtages Tammus!
Offensichtlich also ein Fehler im Monatsnamen in der hebräischen Inschrift: es müsste Tammus statt Siwan heißen!
Biografische Notizen
Schwester: Saly (Sarel) Jaul, geb. 25. März 1837 in Kobersdorf, gest. mit 10 Jahren 13. Juni 1847 mit 10 Jahren, begraben am jüdischen Friedhof Kobersdorf. Der Grabstein steht ‒ im Gegensatz zu jenem ihrer Schwester Peralina ‒ noch an Ort und Stelle.


Vater: Samuel Jaul
Mutter: Leny (Jaul)
Schwester: Peralina (Perl) Jaul, geb. 29. Jänner 1833 in Kobersdorf, gest. mit 7 Jahren am 28. Cheschwan 602 (= Freitag, 12. Oktober 1841) in Kobersdorf. Ihr Grabstein steht leider nicht mehr an Ort und Stelle, sondern befindet sich heute an der Mauer des jüdischen Friedhofes, ist aber in ausgezeichnetem Zustand.
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