Es hat lange gedauert. Schon vor gut 4 Jahren wurden umgefallene und zerbrochene Grabsteine am jüdischen Friedhof Kobersdorf nach vorne zur Mauer gebracht und dort aufgeschlichtet. Leider so, dass es unmöglich war, die Inschriften zu lesen.
Alle diese Grabsteine tragen kleine Nummernplättchen, so dass mit Hilfe eines Planes der ursprüngliche Standort ermittelt werden kann.
Neben diesen geschlichteten Steinen befindet sich aber auch ein kleiner Haufen sehr kleiner Grabsteinfragmente, die keine Nummern tragen, von denen daher auch nicht bekannt ist, wo am Friedhof sie gefunden wurden. Und auf diesem kleinen Haufen fand ich im Herbst 2019 das bedeutende und historisch einzigartige Genisagrabsteinfragment.
Ich regte schon vor einigen Jahren an, diese Grabsteine und Grabsteinfragmente entlang der Mauer zu platzieren, sodass ich einerseits versuchen kann, die zusammengehörigen Fragmente zu eruieren und zusammenzustellen und andererseits überhaupt die Möglichkeit besteht, die Inschriften der Grabsteine, so fern überhaupt lesbar, lesen zu können.
Aber es ging bei dieser meiner Überlegung auch darum, eventuell den zweiten, unteren Teil des Genisagrabsteinfragments zu finden. Vielleicht befindet sich dieser abgebrochene untere Teil ja unter diesen zur Mauer transportierten Steinen und Fragmenten?
Wir wissen, was auf diesem unteren Teil des Grabsteines steht. Ein sehr kleines Bild im Standardwerk von Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden des Burgenlandes, Tel Aviv 1970, Seite 70 zeigt uns den Stein vor 1938. Das Umfeld ist auf dem kleinen Bild leider nicht sicher zu identifizieren, die Inschrift konnte ich lesen und übersetzen.
Matitjahu Philipp Riegler, Tel Aviv, der Autor des Kapitels “Kobersdorf” im zitierten Buch von Hugo Gold, zeigt uns nämlich nur eine Beschriftung des Fotos, transkribiert aber weder die Inschrift noch übersetzt er diese.

Die hebräische Beschriftung des Fotos in Hugo Golds Buch lautet übersetzt:
Erinnerungsstein für die Bücher der Tora, die begraben wurden von den Juden, bevor diese Kobersdorf (eine der 7-Gemeinden) im Burgenland, Österreich, verlassen haben in den Tagen der nationalsozialistischen Machtübernahme 1938.
Die Inschrift selbst habe ich 2019 übersetzt, hier in Kurzfassung:
3. Z(wi)sch(en)f(eier)t(ag) von P(esach) 698 (= 20. April 1938), als die Vertreibung [der Juden] an G(ottes) Wallfahrtsfest stattfand.
Hier sind verborgen 13 Torarollen, die Urim und Tummim, als gingen ins Exil Väter und ihre Kinder. Nach der kleinen Zeitrechnung.
2019 habe ich auch die Familie Goldberger recherchiert. Denn an diesem 20. April 1938 wurde die gesamte Familie, der Rabbiner Simon Goldberger, der letzte Rabbiner von Kobersdorf, seine Frau Paula, die aus einer berühmten Rabbinerfamilie von Kobersdorf und Lackenbach abstammt, und seine drei minderjährigen Kinder, von den Nazis an die ungarische Grenze geschleppt und dort schwerst misshandelt. Das alles wird in wenigen Wochen, sobald meine Website online geht, wieder nachlesbar sein.
Heute startete nun das Projekt. Danke Horst Horvath für die Organisation der helfenden Hände (die größeren Steine sind wahnsinnig schwer zu bewegen)! Unter den kleineren Steinen saß auch eine Kröte, offenbar schon länger. Sie wurde in den Wald gebracht, wo es ihr hoffentlich besser geht ;-)
Wir werden noch einige Tage brauchen mit der Arbeit. Ich hoffe, dass wir fündig werden, hier ein paar Eindrücke vom ersten Tag: