Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Johanna (Anna, Hanna, Lea Chana) Janowitz, 03. Elul 662 (= Freitag, 05. September 1902)
Standortnummer: 714
Foto 2017
Die Grabinschrift
[1] H(ier liegt) b(egraben) | פנ |
[2] eine g(ottes)fürchtige, kluge Frau, | אשה יראת ה’ טובת שכל, |
[3] die bescheidene und rechtschaffene | הצנועה והישרה |
[4] Fr(au) Lea Chana | מר’ לאה חנה |
[5] Janowitz, i(hre Ruhe) s(ei Wonne = Eden), | יאנאוויץ נ”ע |
[6] Ehefrau des MORENU | אשת מו”ה |
[7] H(errn) Jakob Janowitz, s(ein Andenken) m(öge bewahrt werden). | ר’ יאקב יאנאוויץ ז”ל |
[8] Auf ewig, oh weh, hast du uns verlassen, | לנצח, אהה! עזבתנו |
[9] gute und edle Mutter. | אם טובה ונאמנה, |
[10] Ja, der Liebling unter den Frauen warst du. | הן, חמדת נשים היית |
[11] Als eine tüchtige Frau und Krone ihres Mannes, | אשת חיל עטרת בעלה |
[12] an lauterem Herzen und großzügigem Geist | בתומת לב ונדיבת רוח |
[13] übertrafst du sie alle! | את עלית על כולנה! |
[14] Der Herr wird dir deine Gerechtigkeit angemessen vergelten. | יגמלך אלהים כצדקתך |
[15] Dein Andenken wird von deinen Nachkommen nie vergessen werden. | זכרך לא יסוף מזרעך |
[16] Sie starb am 3. Elul 662 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). | מתה ביום ג’ אלול תרסב לפ”ק |
[17] I(hre) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
Anmerkungen
Der Grabstein ist zwischen 1995 und 2016 vom Sockel gestürzt und liegt am Boden.
Zeile 2/3: Babylonischer Talmud, Traktat Schabbat 53b צנועה אשה.
Zeile 6: MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).
Zeile 8: Akrostichon: Der erste Buchstabe des ersten Wortes sowie der erste und zweite Buchstabe des zweiten Wortes ergeben den ersten hebräischen Vornamen der Verstorbenen (Lea; s. u. Anmerkung zu Zeile 10).
Zeile 8-10: Akrostichon: Die Anfangsbuchstaben ergeben den ersten hebräischen Vornamen der Verstorbenen (Lea).
Zeile 10: Daniel 11,37 חמדת נשים.
Akrostichon: Die jeweils ersten Buchstaben des zweiten, dritten und vierten Wortes ergeben den zweiten hebräischen Vornamen der Verstorbenen (Chana).
Zeile 11: Sprüche 12,4.
Zeile 12: Vgl. 1 Könige 9,4 “(Wenn du) mit rechtschaffenem und anständigem Herzen (vor mir gehst)…” …בתם לבב ובישר….
Zeile 13: Sprüche 31,29.
Zeile 14: Vgl. 2 Samuel 22,21 “Der Herr hat mir vergolten, weil ich gerecht bin…” יגמלני יהוה כצדקתי….
Zeile 15: Vgl. Ester 9,28 “…ihr Gedächtnis (der Tage des Purimfestes) sollte bei ihren (der Juden) Nachkommen nie vergessen werden” …וזכרם לא יסוף מזרעם.
Biografische Notizen
Johanna (Anna, Hanna, Lea Chana) Janowitz, geb. 1814?, gest. am 05. September 1902 um 12 Uhr mit 88 Jahren an Gehirnblutung (den Tod gemeldet hat ihr Schwiegersohn Heinrich Austerlitz, s.u. Tochter Katherina); wh.: Unterberg-Eisenstadt 23
Vater: Alexander Pollak Mühlendorf (Süßkind ben Rafael M.-D), gest. 11. Jänner 1853, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Mutter: Maria (Mirl Frau Süßkind) Pollak, gest. 08. Juli 1873, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Bruder: Alexander (Süßkind) Pollak?, gest. 03. November 1879
Ehemann: Jakob Janowitz, gest. 21. Juni 1872, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt, Sohn des Emanuel (Mendel ben Beer) Janowitz, gest. 01. November 1832 und der Katharina (Gütel) Janowitz, gest. 24. Februar 1841, beide Großeltern begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt.
Geheiratet am 29. Februar 1836 in Eisenstadt (s.u. Trauungsmatriken).
Das Ehepaar hatte 14 gemeinsame Kinder.
Töchter:
Katharina Janovetz (sic!), geb. 16. Oktober 1841 in Eisenstadt (Mutter: Hani, Beruf Vater: Kleinhändler), geh. 25. Juli 1861 Heinrich Austerlitz, Handelsmann, Sohn des Wilhelm Austerlitz und der Theresia (Austerlitz); wh.: Eisenstadt 25. Heinrich war bei der Hochzeit 26 Jahre, Katharina 19 (lt. Matriken; genaugenommen 20) Jahre alt.
Mini (Minna) Janovitz, geb. 22. März 1843 in Eisenstadt (Mutter: Anna, Beruf Vater: Händler), geh. 19. Juni 1864 Jakob Frischmann, ledig, Beruf: Handelsmann, Sohn des Salomon Frischmann und der Regine (Frischmann), geb. in Deutschkreutz, wh.: Ödenburg (Sopron) 57. Jakob war bei der Hochzeit 28 Jahre, Minna 19 (lt. Matriken; genaugenommen 21)Jahre alt; wh.: Eisenstadt 23
Regine Janovitz, geb. 23. November 1848 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Handelsmann)
Söhne:
Heinrich (Zvi Hirsch) Janov(w)itz, geb. 18. März 1838 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Handelsmann), gest. mit 28 Jahren am 26. Juli 1866 in Wien, Kleinhändler aus Eisenstadt, begraben am jüdischen Friedhof Währing
Adolf/ph Janovitz, geb. 08. August 1839 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Weinhändler), Kaufmannslehrling, gest. mit 23 Jahren an Gedärmentzündung am 19. Juni 1862 in Budapest
Igna(t)z / Eduard Janov(w)itz (“Adolf” durchgestrichen!), geb. 03. November 1844 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Handelsmann), gest. als “Eduard recte Ignaz Janowitz” mit 24 Jahren am 26. September 1867 in Wien, ledig, Kadett, Arrestant aus Eisenstadt, begraben Friedhof Währing, Allg. Platz 12. Reihe
Alexander Janovitz (“Simon” durchgestrichen!), geb. 21. Jänner 1846 (Mutter: Hana, Beruf Vater: Handelsmann)
David Janovitz (“Eduard” durchgestrichen!, s.o. Sohn Ignatz!), geb. 27. März 1847 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Händler)
Moritz Janovitz, geb. 22. September 1850 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Händler)
Max Janovitz, geb. 29. Jänner 1852 (Mutter: Hanni Pollak), Geburts- und Wohnort: Eisenstadt Judengasse 30
Wilhelm (Wolf) Janovitz, geb. 22. Mai 1853 (Mutter: Anna Pollak), Geburts- und Wohnort: Eisenstadt 30
Alexander/Siegmund (Süßkind) Janovitz, geb. 22. Mai 1853, gest. 04. Juni 1854 als Siegmund Janovitz an “zurückgetretenen Masern”, 1 Jahr alt, Geburtsort: Eisenstadt, Wohnort: Eisenstadt 30 (s.u. Anmerkung zum Namen!)
Kleiner Exkurs zum Sohn mit dem Namen Alexander bzw. Siegmund Janovitz:
Bei Alexander Janovitz (und seinem Zwillingsbruder Wilhelm) verfügen wir über einen Geburtsmatrikeneintrag (s.o.). Für Siegmund Janowitz existiert nur ein Eintrag in den Sterbematriken (s.u.), immerhin mit Altersangabe, dass er nämlich 1 Jahr alt war, als er starb.
Aufgrund des Fehlens der Eltern in den Sterbematriken sowie des Fehlens eines Geburtseintrages kann Siegmund nur aufgrund der angegebenen Sterbeadresse (Eisenstadt 30) als möglicher Sohn von Jakob und Johanna Janowitz vermutet werden.
Wenn er allerdings mit 1 Jahr verstarb (und wir diese Angabe als richtig werten), muss er gleichzeitig mit den Zwillingen Alexander und Wilhelm geboren sein. Aber weder Drillinge noch die Geburt Siegmunds finden sich in den Geburtsmatriken.
Sollte einer der Zwillinge seinen bürgerlichen Namen gewechselt haben, kommen sowohl Alexander als auch Wilhelm in Frage, beim Tod als Siegmund eingetragen worden zu sein.
Des Rätsels Lösung ist aber m.E. der in allen 3 Fällen (Geburt Alexander und Wilhelm sowie Tod Siegmund) in den Matriken angegebene hebräische Name, also der Synagogalname. Wilhelm Wolf, Alexander Süßkind und, das ist die Überraschung, Siegmund Süßkind. Siegmund scheint also aller Wahrscheinlichkeit nach der als Alexander geborene Zwilling zu sein.
Wirklich wundern sollten wir uns vielleicht nicht über Alexander/Siegmund, weil offensichtlich mehrmals Schwierigkeiten mit den bürgerlichen Namen beim Eintrag in die Geburtsbücher auftraten (s.o. David – Eduard, Ignatz – Adolf, Alexander – Simon, und schließlich heißt nicht David, sondern Ignatz bei seinem Tod Eduard!)
Josef/ph (Avigdor) Janovitz, Hausierer, geb. 03. Oktober 1854 (Mutter: Anna Pollak), Geburts- und Wohnort: Eisenstadt Judengasse 30; geh. 24. Februar 1889 Ilka Pfeifer, geb: Szentgyörgy (St. Georgen) bei Bratislava, wh.: Wien, ledig, Tochter des Jakob Pfeifer und der Resi Stieglitz. Jakob war bei der Hochzeit 34 Jahre, Ilka 28 Jahre alt. Rabbiner war Salomo Kutna.
Emanuel Janovitz, geb. 19. November 1836 (Mutter: Hana, Beruf Vater: Weinhändler)
1. Ehe Emanuel Janowitz: geh. in Baden 11. April 1861 Cäcilia Spitzkopf, wh.: Leipnik 47, Tochter des Leopold Spitzkopf und der Rosa (Spitzkopf). Emanuel war bei der Hochzeit 24 (genaugenommen 25) Jahre, Cäcilia 20 Jahre alt, beide ledig.
Scheidung Emanuel Janowitz:
Im Totenprotokoll (Sterbematriken) (!) von Eisenstadt findet sich im Jahr 1869 als Zusatz zu den Sterbeeinträgen die Überschrift “Ehescheidungen”. Dort findet sich mit Datum 18. Oktober 1869 der Eintrag:
“Emanuel Janowitz, geschieden von Cäcilia Spitzkopf” und als Anmerkung: “Ihre Ehe fand statt am 11. 4. 1861 in Baden”.
Schon etwas überraschend, dass sich der Scheidungseintrag in den Sterbematriken und nicht in den Trauungsmatriken befindet.
2. Ehe Emanuel Janowitz: geh. in Eisenstadt 06. April 1876 Hermina Kreutler, geb. in Kolin, wh.: Wien, Glockengasse 29, Tochter des Jakob Kreutler und der Johanna (Kreutler). Hermina war bei der Hochzeit 26 Jahre alt, das Alter Emanuels ist nicht vermerkt, aber er war 40 Jahre alt.
Material und Maße des Grabsteins
Gabbro, 209/80/40
Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt