Personenregister jüdischer Friedhof Währing
Ein glücklicher Zufall gestern war, dass ich bei einem Blick auf das Bild jenes Grabsteins, der am 26. Februar 2019 als Titelbild für die Facebookseite des Vereines “Rettet den jüdischen Friedhof Währing” verwendet wurde, “von den Einwohnern Eisenstadts” lese und mir daraufhin die Inschrift näher angesehen habe.
Der Grabstein von Heinrich Janowitz ist daher sozusagen der Initiativ-Grabstein für das Anfang Juni 2019 gestartete Projekt zum jüdischen Friedhof Währing. Der Blogartikel ging schon am 27. Februar 2019 online, wurde aber Anfang Juni überarbeitet und ergänzt.
Ein erstes wunderschönes Beispiel über die engen Beziehungen zwischen Eisenstadt und Wien:
Heinrich (Zvi Hirsch) Janowitz, 14. Av 626 (= Donnerstag, 26. Juli 1866)
Die hebräische Grabinschrift
[1] H(ier liegt) b(egraben) | פ”נ |
[2] d(er teure) M(ann), der Herausragende, sehr erhaben, | ה’ה המרומם מאוד נעלה |
[3] d(er) e(hrbare) H(err) Zvi Hirsch | הרר צבי הרש |
[4] S(ohn des) wundervollen Rabbinischen, MORENU Jakob Janowitz | ב’הרבני המופלא מו’ה יאקב יאנאוויטץ |
[5] von den Einwohnern d(er heiligen jüdischen) G(emeinde) Eisenstadt. | מתושבי קק אייזענשטאדט |
[6] S(eine Seele) g(ing hinweg) am 14. Menachem Av | י’נ די מנחם אב |
[7] des Jahres | שנת |
[8] als über ihn das “Herausgerissenwerden” (= 5626) kam. | עלה עליו ה כורת |
[9] Dies (ist) | זאת |
[10] ein Denkstein auf der Grabstätte eines teuren Mannes, zart und lieblich. | מצבת קבורת איש יקר רך ונעים |
[11] Die Tage seiner Lebensjahre waren wenige und schlechte. | ימי חיי שנותיו היו מעט ורעים |
[12] Anfangs wa(r) sein Los glänzend und lichtvoll, | ראשית גורלו הי’ צהיר ונהור |
[13] aber an des Jünglings Ende war es bitter und verflucht. | אבל אחריתו מנון מר ונאור |
[14] Vom Rest seines Lebens wurde er abgeschnitten noch in seiner Blüte, | מיתרי חיותו נתקו עודנו באבו |
[15] In seinem Tod wurden all seine Sorgen und Schmerzen genommen. | במותו לקח הכל צערו וכאבו |
[16] S(eine Seele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
Anmerkungen
Die hebräische Inschrift ist heute nicht mehr zur Gänze lesbar, stellenweise ist sie auch sehr schlecht zu lesen. Die Ergänzungen konnten aufgrund einer Anfang des 20. Jahrhunderts angefertigten und vom Archivar der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Dr. Pinkas Heinrich, ca. 1905 korrigierten und ergänzten handschriftlichen Unterlagen gemacht werden.
Zeile 2: Psalm 47,10 מאד נעלה.
Zeile 8: Umstellung der Buchstaben der Jahreszahl, statt תרכו steht כורת, um das “aus dem Leben Herausgerissenwerden” zu assoziieren.
Zeile 11: Genesis 47,9 מעט ורעים היו ימי שני חיי “Wenig und schlecht waren die Tage meines Lebens”.
Zeile 13: Bei dem in der Grabinschrift verwendeten Wort ונאור würde man zunächst “und glänzend” übersetzen, was natürlich im Kontext keinen Sinn macht. Wahrscheinlich ist an Genesis 12,3 zu denken: ואברכה מברכיך ומקלליך אאור “Ich will segnen, die dich segnen und verfluchen, die dich verfluchen”. Danke an Claudia Chaya Bathya Markovits Krempke, Israel, für den Hinweis!
Zeile 14: Ijob 8,12 עדנו באבו לא יקטף “In Blüte noch nicht geschnitten”.
Zeile 15: Wörtlich wohl: “wurde die Gesamtheit seiner Sorge und seines Schmerzes genommen”.
Biografische Notizen
Heinrich (Zvi Hirsch) Janowitz, geb. 18. März 1838, Kleinhändler aus Eisenstadt, gest. 14. Av 626 = 26. Juli 1866, begraben am jüdischen Friedhof Währing in Wien.


Vater: Jakob (ben Mendel) Janowitz, gest. 21. Juni 1872, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Mutter: Johanna (Anna, Hanna, Lea Chana) Janowitz, gest. 05. September 1902, begraben am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Schwestern:
Katharina Janovetz (sic!), geb. 16. Oktober 1841 in Eisenstadt (Mutter: Hani, Beruf Vater: Kleinhändler), geh. 25. Juli 1861 Heinrich Austerlitz, Handelsmann, Sohn des Wilhelm Austerlitz und der Theresia (Austerlitz); wh.: Eisenstadt 25. Heinrich war bei der Hochzeit 26 Jahre, Katharina 19 (lt. Matriken; genaugenommen 20) Jahre alt. Gestorben 1921, begraben am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt.
Mini (Minna) Janovitz, geb. 22. März 1843 in Eisenstadt (Mutter: Anna, Beruf Vater: Händler), geh. 19. Juni 1864 Jakob Frischmann, ledig, Beruf: Handelsmann, Sohn des Salomon Frischmann und der Regine (Frischmann), geb. in Deutschkreutz, wh.: Ödenburg (Sopron) 57. Jakob war bei der Hochzeit 28 Jahre, Minna 19 (lt. Matriken; genaugenommen 21)Jahre alt; wh.: Eisenstadt 23
Regine Janovitz, geb. 23. November 1848 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Handelsmann)
Brüder:
Adolf/ph Janovitz, geb. 08. August 1839 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Weinhändler), Kaufmannslehrling, gest. mit 23 Jahren an Gedärmentzündung am 19. Juni 1862 in Budapest
Igna(t)z / Eduard Janov(w)itz (“Adolf” durchgestrichen!), geb. 03. November 1844 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Handelsmann), gest. als “Eduard recte Ignaz Janowitz” mit 24 Jahren am 26. September 1867 in Wien, ledig, Kadett, Arrestant aus Eisenstadt, begraben Friedhof Währing, Allg. Platz 12. Reihe
Alexander Janovitz (“Simon” durchgestrichen!), geb. 21. Jänner 1846 (Mutter: Hana, Beruf Vater: Handelsmann)
David Janovitz (“Eduard” durchgestrichen!, s.o. Sohn Ignatz!), geb. 27. März 1847 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Händler)
Moritz Janovitz, geb. 22. September 1850 (Mutter: Anna, Beruf Vater: Händler)
Max Janovitz, geb. 29. Jänner 1852 (Mutter: Hanni Pollak), Geburts- und Wohnort: Eisenstadt Judengasse 30
Wilhelm (Wolf) Janovitz, geb. 22. Mai 1853 (Mutter: Anna Pollak), Geburts- und Wohnort: Eisenstadt 30
Alexander/Siegmund (Süßkind) Janovitz, geb. 22. Mai 1853, gest. 04. Juni 1854 als Siegmund Janovitz an “zurückgetretenen Masern”, 1 Jahr alt, Geburtsort: Eisenstadt, Wohnort: Eisenstadt 30 (s.u. Anmerkung zum Namen!)
Kleiner Exkurs zum Sohn mit dem Namen Alexander bzw. Siegmund Janovitz:
Bei Alexander Janovitz (und seinem Zwillingsbruder Wilhelm) verfügen wir über einen Geburtsmatrikeneintrag (s.o.). Für Siegmund Janowitz existiert nur ein Eintrag in den Sterbematriken (s.u.), immerhin mit Altersangabe, dass er nämlich 1 Jahr alt war, als er starb.
Aufgrund des Fehlens der Eltern in den Sterbematriken sowie des Fehlens eines Geburtseintrages kann Siegmund nur aufgrund der angegebenen Sterbeadresse (Eisenstadt 30) als möglicher Sohn von Jakob und Johanna Janowitz vermutet werden.
Wenn er allerdings mit 1 Jahr verstarb (und wir diese Angabe als richtig werten), muss er gleichzeitig mit den Zwillingen Alexander und Wilhelm geboren sein. Aber weder Drillinge noch die Geburt Siegmunds finden sich in den Geburtsmatriken.
Sollte einer der Zwillinge seinen bürgerlichen Namen gewechselt haben, kommen sowohl Alexander als auch Wilhelm in Frage, beim Tod als Siegmund eingetragen worden zu sein.
Des Rätsels Lösung ist aber m.E. der in allen 3 Fällen (Geburt Alexander und Wilhelm sowie Tod Siegmund) in den Matriken angegebene hebräische Name, also der Synagogalname. Wilhelm Wolf, Alexander Süßkind und, das ist die Überraschung, Siegmund Süßkind. Siegmund scheint also aller Wahrscheinlichkeit nach der als Alexander geborene Zwilling zu sein.
Wirklich wundern sollten wir uns vielleicht nicht über Alexander/Siegmund, weil offensichtlich mehrmals Schwierigkeiten mit den bürgerlichen Namen beim Eintrag in die Geburtsbücher auftraten (s.o. David – Eduard, Ignatz – Adolf, Alexander – Simon, und schließlich heißt nicht David, sondern Ignatz bei seinem Tod Eduard!)
Josef/ph (Avigdor) Janovitz, Hausierer, geb. 03. Oktober 1854 (Mutter: Anna Pollak), Geburts- und Wohnort: Eisenstadt Judengasse 30; geh. 24. Februar 1889 Ilka Pfeifer, geb: Szentgyörgy (St. Georgen) bei Bratislava, wh.: Wien, ledig, Tochter des Jakob Pfeifer und der Resi Stieglitz. Jakob war bei der Hochzeit 34 Jahre, Ilka 28 Jahre alt. Rabbiner war Salomo Kutna.
Emanuel Janovitz, geb. 19. November 1836 (Mutter: Hana, Beruf Vater: Weinhändler)
1. Ehe Emanuel Janowitz: geh. in Baden 11. April 1861 Cäcilia Spitzkopf, wh.: Leipnik 47, Tochter des Leopold Spitzkopf und der Rosa (Spitzkopf). Emanuel war bei der Hochzeit 24 (genaugenommen 25) Jahre, Cäcilia 20 Jahre alt, beide ledig.
Scheidung Emanuel Janowitz:
Im Totenprotokoll (Sterbematriken) (!) von Eisenstadt findet sich im Jahr 1869 als Zusatz zu den Sterbeeinträgen die Überschrift “Ehescheidungen”. Dort findet sich mit Datum 18. Oktober 1869 der Eintrag:
“Emanuel Janowitz, geschieden von Cäcilia Spitzkopf” und als Anmerkung: “Ihre Ehe fand statt am 11. 4. 1861 in Baden”.
Schon etwas überraschend, dass sich der Scheidungseintrag in den Sterbematriken und nicht in den Trauungsmatriken befindet.
2. Ehe Emanuel Janowitz: geh. in Eisenstadt 06. April 1876 Hermina Kreutler, geb. in Kolin, wh.: Wien, Glockengasse 29. Zur ihrer Herkunft und Familie siehe Kommentar von Wolf-Erich Eckstein.
Personenregister jüdischer Friedhof Währing
https://www.geni.com/people/Heinrich-Janowitz/6000000095471876724