Josef Koppel, Sohn des Abraham, 08. Tevet 5611 (Freitag, 13. Dezember 1850)
Anmerkungen
Nach der Einleitung in Zeile 1 folgen in Zeile 2 bis 4 Ehrentitel, Vorname des Verstorbenen sowie Ehrentitel und Vorname des Vaters: “D(as) i(st) d(er) e(hrbare) MORENU (3) Josef, (4) Sohn d(es ehrbaren) L(ehrers) u(nd Meisters) Abraham, s(ein Andenken) m(öge bewahrt werden) הה כמוה” יוסף בהרר” אברהם ז”ל. Der Vater war also zum Zeitpunkt des Ablebens seines Sohnes ebenfalls schon verstorben.
MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).
Zeile 5 bis 7 geben das Sterbedatum an: “S(eine Seele) g(ing hinweg) und er wurde begraben mit gutem Namen (= in gutem Ruf) am achten (!) Tevet, an einem Freitag 611 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung) ינ ונקבר בשם טוב חית טבת ביום עשק תריא לפק.
In der sehr langen und schönen Eulogie finden sich als Akrostichon von Zeile 8 bis 17 sein Vorname sowie der Vorname seines Vaters und der Segenswunsch:
(8) horizontal: “Josef”
(8) bis (11): “Josef”
(12) horizontal: “S(ohn) d(es ehrbaren) H(errn)”
(13) bis (16): “Abraham” (letzten beiden Buchstaben in Zeile 16 horizontal)
(17) horizontal: “sein Andenken möge bewahrt werden”
יוסף בהר” אברהם זכרונו לברכה.
Der Segenswunsch in Zeile 17 ist nicht – wie meist – abgekürzt, sondern, da im Kontext der Zeile zu lesen, ausgeschrieben: “Sein Andenken möge bewahrt werden, so soll weitergegeben werden (erzählt werden) von den Vätern an die Söhne” זכרונו לברכה יסופר מאבות לבנים.
Zeile 5 der Eulogie (Gesamtzeile 12) gibt an, dass der Verstorbene ein betagter Mann war: “Auf die Berge Gottes stieg er hinauf, ‘bejahrt und satt an Jahren’ (Genesis 35,29, Hiob 42,17 u.a.)” בהר” אלקים עלה זקן ושבע ימים.
Update 22. 12. 2014: “Betagt” würde durchaus mit seinem Geburtsdatum in 1770 korrespondieren. Er ist also mit 80 Jahren verstorben, siehe Kommentare unten!
Sehr schöne Lösung beim ersten Wort der Zeile 5 der Eulogie (Gesamtzeile 12): Der Grund, dass בהר” “auf die Berge”, ein Abkürzungszeichen aufweist, die status-constructus-Form also nicht fertig geschrieben wurde (בהרי), ist, dass die abgekürzte Version im Akrostichon als “S(ohn) d(es ehrbaren) H(errn)” lesbar ist.
Zeile 8 der Eulogie (Gesamtzeile 15) schließlich nennt seine Funktion in der Gemeinde: “Vorsitzender und Leiter war (er) in seiner Gemeinde, einer Gemeinde von Einsichtigen” ראש ומנהיג הי” בקהלתו קהל נבונים.
Max Grunwald führt den Grabstein in seiner Arbeit “Mattersdorf” (Mitteilungen der Gesellschaft für Jüdische Volkskunde 1924-1925, S. 502) an (siehe dazu auch Kommentar von Chaya-Bathya Markovits). Die Abschrift Grunwalds soll hier zur Gänze buchstaben- und zeilengerecht wiedergegeben werden:
כהו”ה Josef b. Abraham 1851
פ”ה איש צדיק תמים ירא אלקים רבים השיב מעון ה”ה כמו”ה יוסף בהר”ר אברהם ז”ל י”נ ונקבר בשם טוב חית טבת ביום עש”ק תרי”א לפ”ק
יוסף היה המשביר לאחיו כל הימים
ותשב באיתן קשתו חסון כאלונים
סר מרע ועשה טוב והלך בדרך תמים
פרש לרעב לחם כסה והלביש ערומים
בהר אלקים עלה זקן ושבע ימים
אב לנבונים היה תפארת לחכמים
בצדקתו עמד עד שובו לבית עולמים
ראש ומנהיג הי” בקהלתו קהל נבונים
הם יעידו כי הי” ראש הבשמים
זכרונו לברכה יסופר מאבות לננים.
Am Beginn von Zeile 1 liest Grunwald meines Erachtens falsch, es muss heißen: פ”נ, also “H(ier liegt/ist) g(eborgen)”.
Weiters fällt der 8. Tevet (5)611 noch in den Dezember 1850!
Personenregister jüdischer Friedhof Mattersburg
Morenu Josef KOPPEL son of Abraham Isak KOPPEL, was born in 1770. He married Lea Loeb and had at least five children. One of them was Israel KOPPEL who married Fradel DEUTSCH.
Falls der Mann wirklich offizieller Gemeindevorsteher war, so kämen nach der Liste von Hodik zwei Josefs in Frage: Josef Koppel (Vorsteher in den Jahren 1806-1811 und 1823-1825) und Josef Hi(e)rsch (Vorsteher in den Jahren 1836-1839 und 1841).
Quelle: Fritz P. Hodik, Beiträge zur Geschichte der Mattersdorfer Judengemeinde, S. 268-269. Als Quelle angeführt: Fürstl. Esterhazysches Archiv Forchtenstein, Banntaidingbuch der Grafschaft Forchtenstein, Prot. Nr. 7545.