Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Mayer (Meir) Wolf, 19. Nisan 644 (= Sonntag, 13. April 1884)
Standortnummer: 211
Die Grabinschrift
[1] {Levitenkrug} Sega”l | (כד של לויים) סג”ל |
[2] H(ier liegt) b(egraben) | פ”נ |
[3] ein Auserlesener unter den Menschen und ein Reiner in seinen Taten, der Vorsteher und der Toragelehrte, vollkommen und hervorragend, | מבחר באנשים ונקי במעשיו האלוף והתורני שלם ומעלי |
[4] MORENU | מה’ו |
[5] Meir Wolf | מאיר וואלף |
[6] Halevi, d(as Andenken) d(es Gerechten) m(öge bewahrt werden). | הלוי זצ”ל |
[7] S(eine Seele) g(ing hinweg) am 19. Nisan des Jahres 644 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). | י”נ ביום יט ניסן בשנת תרמד לפ’ק |
[8] Einen Ort, wo Gott wohnt, hat er in seiner Gemeinde errichtet. | מכון שבתו קומם בקהל עדתו. |
[9] Ein Vater von besonderer Ehre war er, und er erhielt sein Haus. | אב מיוחד כבוד ומחזיק לביתו. |
[10] Sein Lobpreis gereicht dem Dahingehenden zum Vorteil. | יש למותר להולך שבח תהלתו, |
[11] Erfahren und gelehrt war er, und viele trauerten über seinen Tod. | רגיל ושונה ורבים אבלו במותו. |
[12] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
Sockel
[1] ED. HAUSER | |
[2] Wien |
Anmerkungen
Zeile 3 (im Rundbogen geschrieben): Das י in מעלי ist m. E. eindeutig (also kein Apostroph, der eine Abbreviatur anzeigen würde); wohl zu ergänzen auf מעליא.
Zeile 4: MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).
Zeile 8: Exodus 15,17; 1 Könige 8,13 מכון לשבתך; vgl. auch Pirque Avot VI,10 u.a. Der Satz ist gewöhnlich nicht wörtlich zu nehmen, “Ort, wo Gott wohnt” ist im übertragenen, geistigen Sinn zu verstehen.
Num 14,5, s. auch Exodus 12,6 u.a. קהל עדת.
Zeile 10: Vgl. Sprüche 21,5 “Die Pläne des Fleißigen bringen Gewinn/Überfluss…” מחשבות חרוץ אך למותר…, vgl. auch Sprüche 14,23; Kohelet 3,19.
Zeile 8-11: Akrostichon: Die Anfangsbuchstaben ergeben den hebräischen Vornamen des Verstorbenen (Meir).
Biografische Notizen
Mayer (Meir) Wolf, gest. mit 69 Jahren an Lungenentzündung in Eisenstadt. Der 19. Nisan 644 ist der 14. April 1884, lt. Sterbematriken starb Mayer Wolf am 13. April. Offenbar starb Mayer Wolf in den Abendstunden des 13. April, also schon am 19. Nisan.
Vater: Israel (Asriel) Wolf, gest. 01. Dezember 1859, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Mutter: Anna (Chana) Hartstein, gest. 01. Juni 1872, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Ehefrau: Nina Hübsch, Tochter von Israel, Kittsee 117, geh. 10. Mai 1860 in Eisenstadt. Mayer war bei der Hochzeit 40 Jahre, Nina 20 Jahre alt (s. Trauungsmatriken unten)
Schwestern:
Adelheid (Edel) Schiff, gest. 23. Februar 1910
Fanny (Fradel) Schiff, gest. 24. März 1900
Sali Klaber, gest. in Ödenburg (Sopron) 27. Jänner 1908, war Ehefrau ihres Cousins Moritz Klaber
Leni Bunzlau, lebte in Neudörfl und starb 10. März 1903, siehe mehr Informationen bei ihrem Ehemann Samuel Bunzlau
Rösl Schönberger, in Ödenburg gestorben
Lotti (Chaila) Schönberger, gest. 09. August 1860
Brüder:
Abraham Wolf, gest. in Neudörfl am 25. September 1884
Wilhelm (Chajjim Seev) Wolf, wohnte in Wr. Neustadt und starb am 29. Mai 1901
Viktor (Avigdor) Wolf, lebte in Neudörfl und starb am 08. November 1906 ebendort
Söhne:
Abraham Wolf, gest. 05. April 1884, nur 1 Woche vor seinem Vater, ebenfalls an Lungenentzündung!
Ignaz Wolf, gest. 30. November 1911
Material und Maße des Grabsteins
Diorit, 165/72/37
Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Nachruf auf Mayer Wolf:
Jüdische Presse (Berlin), 15. Jg., 18 (24. April 1884), S. 186–187:
Eisenstadt, 18. April . (Orig.-Corr.) Am 1. Tage Chol Hamoed [Halbfeiertag] ist hier ein Mann aus dem Leben geschieden, der wohl verdient, in diesem Blatt erwähnt zu werden. Herr Mayer Wolf ז”ל [s. A.], dessen ganzes Leben nur תורה עבודה וגמ”ח [Tora, Gebet und Wohltätigkeit] gewidmet war, ist 3 Tage nach dem Begräbnisse seines geliebten Sohnes, welcher 8 Tage vorher aus der Jeschiwa von Papa nach Hause gekommen war und plötzlich in der schönsten Lebensblüthe abberufen wurde, verschieden. Unsere Gemeinde verliert an dem Dahingeschiedenen den Mann, der ihre Zierde und ihr Schmuck gewesen, theils durch seine Frömmigkeit und große Gelehrsamkeit, theils durch seine Wohlthätigkeit und Güte als Vater der Waisen, Beschützer der Wittwen und hilfreicher Unterstützer der Armen. Der unerbittliche Tod, der auch das Schöne und Edle nicht verschont, hat auch ihn dahingerafft und seine Familie, die Gemeinde und viele Verehrer und Freunde in tiefe Trauer versetzt, welche klagend rufen: חבל על דאבדין ולא משתכחין. Zur Beerdigung sind von Nah und Fern viele Verwandte und Bekannte herbeigekommen, um dem edlen Gönner und Freunde die letzte Ehre zu erweisen. Möge Er, der Vater der Wittwen und Waisen, den trauernden Hinterbliebenen, die voll und ganz in dem Geiste des Verstorbenen leben, den Trost geben, dessen sie so sehr bedürfen. תנצב”ה.
Wilhelm Sinai
http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/4812550