Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Abraham Wolf Segal, 10. Nisan 644 (= Schabbat, 05. April 1884)
Standortnummer: 402
Die Grabinschrift
[1] Einer, der den Glauben bewahrte, ein junger Mann von edlem Geist, d(er ehrenhafte) H(err) und u(nverheiratete) M(ann) Abraham Wolf Segal, a(uf ihm sei) F(riede), Sohn des angesehenen Herrn, des MORENU | שומר אמונים יניק ויקר רוח כ”ה ה”ב’ אברהם וואלף סגל ע”ה בן הנגיד מהו’ |
[2] Meir Wolf, d(as Andenken) d(es Gerechten) m(öge bewahrt werden). | מאיר וואלף זצ”ל |
[3] {Levitenkrug} | (כד של לויים) |
[4] O weh, seine Herrlichkeit, die einer Lilie glich, welkte. | איכה פרח שושן אומלל הודו |
[5] Ein gelehrter Sohn war er seinem Vater, und seine Brüder liebten ihn. | בן משכיל לאביו ואחיו אהבו |
[6] Er war beflissen und achtsam darauf, den Willen seiner Väter zu tun. | רץ וזהיר לעשות רצון אבותיו |
[7] Mit Eifer studier(te) er die Tora, und seine Handlungen waren geschätzt. | הי’ שקוד בתורה ורצויים מעשיו |
[8] Wie hast du, mein Sohn, so schnell ein Grab finden können? | מה מהרת בני למצוא קבר |
[9] Dieser Jüngling hielt fest an den Geboten wie ein erwachsener Mann. | סגל עלם זה מצות כאיש גבר |
[10] S(eine Seele) g(ing hinweg) in Reinheit am 10. Nisan 644 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). | י”נ בטהרה ביום י ניסן תרמד לפק |
[11] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
Anmerkungen
Zeile 1: MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).
Zeile 1-3: Das Symbol des Leviten-Standes, der Krug, befindet sich am Grabstein unterhalb der Zeilen 1 und 2, die im offenen Rechteck geschrieben sind (daher oben in Zeile 3).
Zeile 4: 1 Könige 7,26 פרח שושן.
Zeile 6: Vgl. Pirqe Avot II,21 “… und sei achtsam auf ein leichtes Gebot wie auf das schwere…” …והוה זהיר במצוה קלה כבחמורה….
Zeile 8: Genesis 27,20 מה זה מהרת למצא בני.. Der Vers ist als Hinweis auf seinen frühen Tod zu verstehen.
Zeile 9: Or Hachajim zu Exodus 21,3 und 4 סיגל מצות wird hier in Verbindung mit dem Ausüben guter Taten und dem Erwerb von Kraft mit der Möglichkeit, am jüngsten Tag auferstehen zu können, in Zusammenhang gebracht.
Wahrscheinlich ist dieser Satz in der Inschrift auch dahingehend interpretierbar, dass der Verstorbene bereits im Bar-Mitzwa-Alter gewesen ist, also nach Vollendung seines 13. Lebensjahres verstorben ist (s.u. biografische Notizen). Das Wort סגל wurde hier wohl vor allem gewählt, um zum im Akrostichon geschriebenen Vornamen noch “Segal” (Führer der Leviten) dazufügen zu können.
Zeile 4-9: Akrostichon. Die Anfangsbuchstaben inklusive des ganzen ersten Wortes in Zeile 9 ergeben den (hebräischen) Vornamen des Verstorbenen sowie den Zusatz “Segal” (Abraham Segal).
Biografische Notizen
Abraham Wolf Segal, geb. 19. Februar 1868 in Eisenstadt, Israelitengasse 6, gest. im Alter von 16 Jahren am 05. April 1884 an Lungenentzündung (s.o. Grabinschrift, bes. Zeile 8 und 9). In den Sterbematriken findet sich als Mutter “Hubert Nina” statt “Hübsch Nina” eingetragen, s. u.!
Vater: Mayer Wolf, gest. 13. April 1884, also nur wenige Tage nach seinem Sohn (ebenfalls an Lungenentzündung)
Mutter: Nina Hübsch (s. bes. Mayer Wolf)
Bruder: Ignaz Wolf, gest. 30. November 1911
Material und Maße des Grabsteins
Marmor, 175/72/50
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