Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Eduard (Elias) Machlup / Machalup, 22. Tischre 653 (= Donnerstag, 13. Oktober 1892)
Standortnummer: 311
Die Grabinschrift
[1] Ein rechtschaffener und untadeliger Mann, zuvorkommend und geschätzt, d(er) e(hrenhafte) H(err) Elias Machlup, s(eine Ruhe) m(öge im Garten Eden sein). Er verstarb in Baden | איש ישר ותמים אדיב ונכבד כה ר אליהו מכלוף נע נפטר בבאדען |
[2] am Fest Schmini Atzeret, das auf einen Donnerstag fiel, und wurde zu Grabe gebracht unter Trauerreden, dem Klage- | ביום חג שמיני עצרת שחל ביום ה והובל לקברות בהספד רב ובקול |
[3] ruf seiner Ehefrau, der Frau seiner Jugend, und dem Wehklagen über das Unglück seiner Söhne und Töchter, hier in der h(eiligen jüdischen) G(emeinde) E(isen)s(tadt), | יללת רעיתו אשת נעוריו ובזעקת שבר בניו ובנותיו פה קק אש |
[4] am 1. Tag der darauffolgenden Woche im Jahr 653 n(ach der kleinen Zeitrechnung). | ביום א בשבוע של אחריו בשנת תרנג ל |
[5] H(ier liegt) b(egraben). | פנ |
[6] Ein wertvoller Mann war, der bescheiden ging inmitten der Auserwählten. | איש יקר ערך הצנע הלך בין יחידי סגלה |
[7] Ein gutes und gütiges Herz hatte er, edel war er unter den erhabenen Männern. | לב טוב ומטיב איש נדיב מאנשי המעלה |
[8] Wahrhaft gottesfürchtig liebte er die Gerechtigkeit und verabscheute das Unrecht. | ירא אלהים באמת אוהב צדק שונא עולה |
[9] Auch seine Söhne lehrte er, auf dem Weg des Lebens und des Glücks zu wandeln, | הורה גם לבניו לכת באורח חיים ואושר |
[10] dass sie den Weg G(ottes) einhalten, um Gerechtigkeit und Anständigkeit zu üben. | ושמרו דרך ה’ לעשות צדקה ויושר |
[11] Gute und edle Eigenschafen hast du dir als Krone auf das Haupt gesetzt. | מדות אובות ויקרות שמת לראש עטרה |
[12] Gepriesen seist du unter den Männern! Deinen Ruhm hast du dir auf ewig bewahrt. | אשרוך בין הגברים! תהלתך נצח שמרת |
[13] Die Herrlichkeit Gottes hat dich eingesammelt am “Fest der Einsammlung”, am “achten Tag der Versammlung”, | כבוד אל אספך בחג האסיף שמיני עצרת |
[14] um Schutz zu finden im Schatten des Allmächtigen, und deine edle Seele möge Sicherheit erlangen. | לחסות בצל כנפיו, נפשך היקרה למשמרה |
[15] Beendet hast du dein Werk, einen Namen hast du dir erworben und Großes geleistet. | ותכל מלאכתך, קנית שם עשית חיל |
[16] Deine Handlungen hast du redlich ausgeführt, du mögest vom irdischen Lehrhaus ins himmlische ge(langen). | פעולתך עשית באמונה ותלך מחיל אל חיי’ |
[17] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
Sockel
[1] Sonnenfehern | |
[2] Wien |
Anmerkungen
Zeile 1: Zum Familiennamen “Machlup” siehe v.a. Wachstein B., Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 2. Teil 1696-1783, Quellen zur Geschichte der Juden in Deutsch-Österreich, hrsg. von der historischen Kommission der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, IV, Wien 1912, 446, Anm. 2, und 510 sowie 1123 (Machelupp, Michelup, Michlup), wo auf die Konskriptionsliste aus dem Jahr 1836 in Eisenstadt hingewiesen wird (“Conscription der hochfürstlich Esterházyschen Schutz-Juden in der Gemeinde Eisenstadt, Herrschaft Eisenstadt, vom Jahre 1836”, in: Markbreiter M., Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Eisenstadt, Wien 1908, Seite 75).
Die abbrevierte Euphemie nach dem Namen wurde hier aufgelöst in נוחו עדן (wörtl.: “sein Ruhen ist Eden”); möglich wäre auch נשמתו עדן oder נפשו עדן (beides) “seine Seele ist Eden”. “Eden” wird als Aufenthaltsort der verschiedenen Seele verstanden, später als Wohnort der Seligen, aber auch als vollkommenster Ausdruck der Belohnung (s. Zunz L., Zur Geschichte und Literatur, Berlin 1845, 341ff).
Zeile 2: Schmini Atzeret, s.u. Anmerkung zu Zeile 13.
Vgl. הספד גדול “die öffentlich(e) gezeigte Trauer(feier)” im Unterschied zum eigentlichen Trauergefühl, dessen Ausmaß etc. nicht vorgeschrieben werden kann; s. bes. babylonischer Talmud, Traktat Taanit 181, Megilla 5b sowie weiters Rosch Haschana 25a, Moed Qatan 21b u.a.
Zeile 2/3: Sacharja 11,3 קול יללת.
Zeile 3: Maleachi 2,14 אשת ניוריך. Der Ausdruck würde im Falle einer Scheidung nicht verwendet werden (vgl. bes. Babylonischer Talmud, Traktat Gittin 90b u.a.).
Jesaja 15,5 זעקת שבר.
Zeile 8: Vgl. Jesaja 61,8 “Denn ich, der Herr, liebe das Recht, ich hasse Verbrechen und Raub…” כי אני יהוה אהב משפט שנא גזל בעולה….
Zeile 9: Sprüche 5,6 ארח חיים u.a. Siehe bes. Raschi und die anderen Kommentare zur Stelle, die ausführlich den “Weg des Lebens” damit beschreiben, dass alle Gebote und nicht nur jene, von denen man sich größeren Lohn erwartet zu erfüllen sind. In den Kommentaren wird dies u.a. durch ein Gleichnis von Arbeitern in einem Garten, die am Abend verschiedene Löhne erhalten, illustriert.
Zeile 10: Genesis 18,19 ושמרו דרך יהוה לעשות צדקה.
Zeile 11: Sacharja 6,11 עטרות ושמת בראש.
Zeile 12: Amos 1,11 שמרה נצח.
Zeile 13: Psalm 19,2 כבוד אל.
Vgl. Genesis 49,33 u.a. “(Jakob) verschied und wurde mit seinen Vorfahren vereint” (wörtl.: “…zu seinen Vorfahren eingesammelt”) …ויגוע ויאסף אל עמיו. Die Zeile wurde oben bewusst wörtlich übersetzt, um die naheliegenden Assoziationen zu verdeutlichen. Denn die Formulierung wurde gewählt, um dem Sterbedatum eine tiefere Bedeutung zu geben, daher auch die vielleicht nicht so übliche Bezeichnung für das Sukkot-Fest חג האסיף, wörtl.: “Fest der Einsammlung”. “Schmini Atzeret”, wörtl: “Achter Tag der Versammlung”, dt. oft auch “Schlussfest”, immer am 22. Tischre.
Zeile 14: Psalm 91,1 בסתר עליון. Der Psalm ist einer der Psalmen im Morgengebet für Schabbat und Festtage und wird auf dem Weg von der Friedhofshalle zur Begräbnisstelle dreimal gesagt (nicht gesagt wird er am Freitagnachmittag oder am Tag vor einem Feiertag nach 12 Uhr). Vgl. auch Psalm 119,114 “Du bist mein Schutz und mein Schild…” סתרי ומגני אתה….
Zeile 15: Exodus 40,33 ויכל משה את המלאכה.
Vgl. Babylonischer Talmud, Traktat Berachot 17a “…Heil dem, der … mit gutem Namen gestorben ist …” …אשרי…שנפטר בשם טוב; vgl. auch babylonischer Talmud, Traktat Avot II,8 “…hat er einen guten Namen erworben, hat er etwas für sich erworben” …קנה שם טוב, קנה לעצמו…. Der gute Name kommt im Gegensatz zu allen anderen geistigen und sittlichen Gütern fast ausschließlich dem Besitzer zugute und bleibt auch nach dem Tod sein eigen (Hirsch Samson Raphael, Siddur. Israels Gebete, Zürich-Basel 1992, 443); s. auch Avot IV, 7 “… Drei Kronen gibt es: die Krone der Tora, die Krone des Priestertums und die Krone des Königtums; die Krone des guten Namens aber erhebt sich über sie” … שלשה כתרים הן: כתר תורה וכתר כהונה וכתר מלכות: וכתר שם טוב עולה על גביהן.
Psalm 118,15.16 עשה חיל u.a.
Zeile 16: Vgl. babylonischer Talmud, Traktat Schabbat 31a “In der Stunde, wenn man einen Menschen zum Gericht bringt, fragt man ihn: ‘Hast du deinen Handel in Redlichkeit betrieben’?…” בשעה שמכניסין אדם לדין אומרים לו נשאת ונתת באמונה…. Es “… ist dies die erste Frage, die an den Menschen im Jenseits gerichtet wird.”
(Wachstein B., Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540(?)-1670, Quellen zur Geschichte der Juden in Deutsch-Österreich, hrsg. von der historischen Kommission der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, IV, Wien 1912, Seite 128)
Psalm 84,8 ילכו מחיל אל חיל in Anspielung auf die große Weisheit des Verstorbenen, wörtl.: “Sie schreiten (Inschrift: ‘Du schreitest’) dahin mit von Kraft zu Kraft (Einheitsübersetzung ‘mit wachsender Kraft’)… “. Die Bibelstelle setzt fort mit “…dann schauen sie Gott auf dem Zion” …יראה אל אלהים בציון. Die Stelle wird verständlich durch die Interpretation des Raschi: “Der Weisen Wege führen von Lehrhaus zu Lehrhaus…” …מבית המדרש לב”ה….
Zeile 6-16: Akrostichon: Die Anfangsbuchstaben ergeben den hebräischen Vornamen und den Nachnamen des Verstorbenen (Elijahu Machlup).
Biografische Notizen
Eduard (Elias) Machlup / Machalup, verheiratet, gest. mit 63 Jahren am 13. Oktober 1902 an Herzlähmung in Baden, Antonsgasse 10.
Eduard (Elias) Machlup war gemeinsam mit seinem Bruder Adolf, geb. 1834 (s.u.), Gründer der ersten ungarischen Lederfabrik. 1868 Gründung der ersten ungarischen Stearin- und Seifenfabrik.
Jahrzeittafel Eliajahu Machlup
Jahrzeittafel-Installation in der Synagoge unseres Museums
Jahrzeittafel von Eliajahu Machlup – die Übersetzung:
[1] Jahrzei(t) | יאהרציי’ של |
[2] des | של |
[3] H(errn) Elijahu | ר’ אליהו |
[4] Machlup, | מאכלופ |
[5] Sohn der Jentel, | בן יענטל |
[6] Schmini Atzeret | שמיני עצרת |
Zeile 4: Interessant die Schreibung des פף im Namen “Machlup”. Auf der Jahrzeittafel mit normalem פ, das anzeigt, dass nicht “Machluf” gelesen werden darf, sondern “Machlup”, in der Grabinschrift, Zeile 1, aber mit Final-Pe ף.
Zeile 6: Schmini Atzeret, s.o. Anmerkung zu Zeile 13.
Nota bene: Wie auf vielen Jahrzeittafeln keine Angabe des Sterbejahres, nur Sterbemonat und -tag!
Ausführliche Informationen über die Jahrzeit und die Jahrzeittafel-Installation in der Synagoge des Museums finden Sie im Blogartikel Jahrzeit.
Vater: Bernhard (Beer) Machlup / Machalup, gest. 22. Juni 1847, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Mutter: Juliane (Jentel) Klaber, gest. 15. März 1838, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt
Bruder:
Adolf Machlup, geb. 08. Jänner 1834 in Eisenstadt (Eintrag Geburtsmatriken)
Ehefrau: Theresia / Therese / Resi / Rosi (Resl) Spitzer, gest. 30. August 1906, geh. 22. Dezember 1860 in Ödenburg/Sopron. Elias war bei der Hochzeit 28 Jahre, Resi 20 Jahre alt.
Töchter:
Laura Machlup, geb. 1864? sehr wahrscheinlich in Sopron/Ödenburg (kein Eintrag in den Geburtsmatriken Eisenstadt wie bei Jakob Machlup, s.u. oder der Hochzeit der Eltern, s.o.), geh. 1884 in Eisenstadt Jakob Hacker, Sohn des Israel Hacker und der Johanna (Hacker), geb. in Kobersdorf, wh.: Gainfarn 67. Jakob war bei der Hochzeit 29 Jahre, Laura 20 Jahre alt.
Mina / Hermine / Malvine Machalup, geb. 23. Oktober 1879 in Eisenstadt, geh. 22. Juni 1901 in Eisenstadt Art(h)ur Rauchberg, Kaufmann in Wien, geb. 04. Jänner 1872 in Wien, Sohn des Sigmund Rauchberg, Kaufmann in Wien, und der Hermine Speiser, Wien
Johanna Machalup?, geb. 28. Mai 1876 in Eisenstadt. Fraglich, weil Mutter “Resi Pollak”!
Söhne:
Berthold Machlup / Machalup, Kommerzialrat in der Timmersdorfer Holzstoff- und Pappenfarbrik Emerich Kren & Co., Präsident des Österreichischen Pappenverbandes, Vizepräsident des Arbeitgeberverbandes der Papierindustrie usw., geb. 08. März 1862 in Ödenburg/Sopron 47, geh. 21. August 1892 im Bethaus Seitenstettengasse, Wien I, Cäcilie / Cécile Haymann, Tochter des Moriz Haymann, Kaufmann, und der Anni Bachrich, Wien.
Berthold Machlup, gest. 31. Jänner 1922 in Wien, begraben am 02. Februar 1922 am Zentralfriedhof Wien
Jakob / Gyula / Julius Machlup, Händler, geb. 02. April 1863 in Ödenburg 47, geh. 21. Juni 1892 in Eisenstadt Sara Steinhardt, geb. in Unterberg-Eisenstadt, wh.: Eisenstadt, Tochter des Jakab Steinhardt und der Johanna (Steinhardt). Gyula war bei der Hochzeit 29 Jahre, Sara 23 Jahre alt.
Leopold (Jehuda, genannt Löb) Machlup, geb. 03. Februar 1866 in Eisenstadt, Mayerhof 131, gest. 13. Mai 1914
Samuel Machlup, geb. 10. Oktober 1867 in Eisenstadt 129
Jonas Machalup, geb. 16. September 1869, gest. 1917 in Wien, geh. 15. September 1897 in Csongrád (Komitat Csongrád, Ungarn) Rosalia Reisz, geb. 18. Dezember 1879 in Csány, Tochter des Jakab Reisz und der Regina Fekete (Trauung in Geburtsmatriken bei Sohn Adolf, s.u., eingetragen).
Adolf, geb. 26. Juni 1911 in Wien (s.u. Geburtsmatriken), Juwelier, verheiratet, emigrierte 1938 nach Quito, Ecuador und reiste am 10. Jänner 1946 in Brasilien ein. Adolfo Machlup hat mit Wirkung von 11. August 1994, in Sao Paolo lebend, die österreichische Staatsbürgerschaft erworben.
Adolf (Abraham) Machlup / Machalup, geb. 03. Juni 1871 in Eisenstadt, gest. 04. April 1887 in Oberberg-Eisenstadt 128
Alexander / Sandor Machlup / Machalup, Buchhalter, geb. 11. Jänner 1873 in Eisenstadt, wh.: Wien, gest. 09. April 1902 um 02.30 Uhr nachts (Selbstmord durch Erhängen), begraben 11. April 1902 am Zentralfriedhof, Wien
Isidor / Israel Machlup / Machalup, geb. 03. November 1877 in Unterberg-Eisenstadt
Material und Maße des Grabsteins
Marmor, 180/80/45
Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
https://www.geni.com/people/Eduard-Machlup/6000000022755417568
@Randol Schoenberg,
einer unser Schätze im Museum: die 755 Jahrzeittafeln, darunter die Jahrzeittafel für Eliajahu Machlup! :-), Übersetzung siehe oben.