Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Samuel Fürst, 20. Elul 662 (= Montag, 22. September 1902)
Standortnummer: 312
Die Grabinschrift
[1] H(ier liegt) {Trauerweide} b(egraben) | פ {אלון בכות} נ |
[2] ein untadeliger und rechtschaffener Mann, ein Mann von Rang und Namen. | איש תם וישר, בעל מעלות ומדות |
[3] D(er würdevolle) N(ame) | כ”ש |
[4] d(es ehrenhaften) H(errn) war Samuel, s(ein Andenken) m(öge bewahrt werden), | כ”ה שמואל ז”ל |
[5] Sohn d(es ehrenhaften) H(errn) Aaron Fürst, a(uf ihm sei) F(riede). | בן כ”ה אהרן פירשט ע”ה |
[6] Er verstarb in der Nacht des 20. Elul 662 n(ach der kleinen Zeitrechnung). | נפטר בליל כ אלול תרסב ל: |
[7] Er war ein wertvoller Mann, rechtschaffen und g(ottes)fürchtig. | איש יקר ערך, ישר וירא ד’. |
[8] Weder hielt er zu den Stolzen, noch zu denen, die sich in Lügen verstrickten. | לא פנה אל רהבים ושטי כזב, |
[9] In Anständigkeit und mit eifrigen Händen mühte er sich ab. | ויגע ביושר ובחפץ כפים. |
[10] Die Strahlen der Liebe und der Gottesfurcht erleuchteten | קרני האהבה והיראה האירו |
[11] seine ehrenvolle, liebenswerte und angenehme Wohnstätte. | משכן כבודו הנחמד ונעים, |
[12] Kraftvoll und stark hing seine Seele | ותדבק נפשו בעוז ותעצומת |
[13] an seiner Wohnstätte. Diese waren seine Frau, seine Nachkommen und seine Verwandten. | בנות ביתו, זו אשתו, צאצאיו וקרוביו. |
[14] Freudig und in Ruhe erwies er Liebe und Gerechtigkeit | בחדוה ונחת גמל חסד וצדקה |
[15] und befasste sich redlich mit allen Angelegenheiten der Öffentlichkeit. | ועסק באמונה בכל צרכי צבור. |
[16] Noch in der Auslese seiner Jahre traf er ihn, | ועודנו במבחר שנותיו פגעתהו |
[17] der bittere Tod, auf der Wahrheit des Weges. | המותה המרה על אמת הדרך, |
[18] in der Stadt St(uhl)weißtenburg, dem Wohnort seines Sohnes. | בעיר שט’ ווייסענבורג מקום מגורי בנו. |
[19] Dort erhob man über ihn ein Klage- und Wehgeschrei, | שם הרימו עליו קול קנה וצעקה, |
[20] überführte ihn hierher und begrub ihn mit bitteren Trauerreden. | והובילוהו לכאן וספדוהו במרה |
[21] Alle Einwohner der Stadt wehklagten zutiefst. | לכל בני העיר נהה נהי’. |
Sockel
[1] Er wurde mit großer Ehre, mit Klag(en) und Seufz(en) begraben. | ונקבר בכבוד גדול בתאני’ ואני’ |
[2] unter bitteren Tränen und der Trauer seiner Witwe und seiner Kinder | בבכי מר ואבל אלמנתו ובניו |
[3] am Dienstag, dem 22. Elul 662 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). | ביום ג כ”ב אלול תרסב ל’ |
[4] Der Name seiner Mutter war Malka. | ושם אמו מלכה: |
[5] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | ת’נ’צ’ב’ה’ |
Sockel 2
[1] | שמה |
[2] Rosner M. Paks. |
Anmerkungen
Zeile 2: Ijob 1,8; 2,3 איש תם וישר.
Zeile 8: Psalm 40,5 ולא פנה אל רהבים ושטי כזב.
Zeile 9: Sprüche 31,13 ואעש בחפץ כפיה.
Zeile 11: Psalm 26,8 משכן כבודך. Ich bin nicht ganz sicher, ob sich die Zeile doch auf Gott bezieht (gemäß dem Bibelzitat), dann müsste übersetzt werden etwa: “den lieblichen und angenehmen Ort, wo Seine Herrlichkeit wohnt”.
Zeile 12: Genesis 34,3 ותדבק נפשו.
Psalm 68,36 ונות בית.
Zeile 14: Vgl. Jeremia 9,23 “…der Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft…” …עשה חסד משפט וצדקה.
Zeile 14: Deuteronomium 16,20 צדק צדק תרדף.
Zeile 15: Tosefta, Traktat Brachot I,4; vgl. II,6 שעוסקין בצרכי צבור u.a. Der Vers deutet auf ein öffentliches Amt in der Gemeinde hin und findet sich fast ausschließlich auf Grabinschriften der dritten und vierten Reihe, also auf Grabsteinen von herausragenden Gelehrten, die in der Gemeindehierarchie unmittelbar hinter den (Ober-)Rabbinern und Rabbinatsassessoren kamen.
Zeile 20: הספד גדול meint die öffentlich(e) (gezeigte) Trauer im Unterschied zum eigentlichen Trauergefühl, dessen Ausmaß etc. nicht vorgeschrieben werden kann; s. bes. Babylonischer Talmud, Traktat Taanit 18a, Megilla 5b sowie Rosch Haschana 25a, Moed Qatan 21b u.a.
Zeile 21: Micha 2,4 ונהה נהי נהיה.
Zeile 22: Jesaja 29,2; Klagelieder 2,5 תאניה ואניה.
Sockel 2 Zeile 1: Die drei hebräischen Buchstaben am Grabsteinsockel rechts unten bezeichnen wahrscheinlich eine frühere Numerierung (Zahlenwert: 345).
Biografische Notizen
Samu(el) Fürst, geb. 12. Dezember 1845 in Eisenstadt (Vater wird in den Geburtsmatriken als “Anton” geführt).
Vater: Aaron Fürst, gest. 13. Oktober 1856, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt. Ebenfalls dort begraben sind auch die Großeltern, siehe die biografischen Anmerkungen beim Vater.
Mutter: Amalia (Malka)
Ehefrau: Rosalia/Rosalie (Selda) Pollak, geh. 08. Dezember 1875 in Eisenstadt, gest. 08. Dezember 1875. Samu(el) war bei der Hochzeit 30 Jahre, Rosalie lt. Trauungsmatriken 24 Jahre alt. Allerdings kann sie erst 22 Jahre alt gewesen sein, wenn die Angabe in den Sterbematriken, dass sie im Alter von 70 Jahren stirbt, stimmt.
Söhne:
Aladar (Aron) Fürst, geb. 01. Februar 1877.
Aladar Fürst ist die Hauptfigur in Franz Werfels “Die wahre Geschichte vom geschändeten und wiederhergestellten Kreuz”, die sich im nachgelassenen Romanfragment “Cella oder Die Überwinder” befindet. Die Geschichte ist das einzige von Werfel wirklich fertiggestellte Romanstück seines großangelegten Cella-Themas und erschien 1942 als Privatdruck in Los Angeles. Es steht aber nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Handlung des Cella-Romans.
Ignaz Fürst, geb. 12. Februar 1880
Julius (Jonas) Fürst, geb. 05. Juni 1878
Sandor Fürst, geb. 07. Oktober 1881
Material und Maße des Grabsteins
Syenit, 210/81/60
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