Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Anna / Netti (Ester) Breier, 25. Tammus 671 (= Freitag, 21. Juli 1911)
Standortnummer: 626
Die Grabinschrift
[1] H(ier ist) g(eborgen) | פ”ט |
[2] eine edle, bedeutende und g(ottes)fürchtige Frau, | אשה יקרה וחשובה יראת ה |
[3] aus einer prachtvollen Familie, | ממשפחה מפוארה |
[4] Fr(au) Ester, a(uf ihr sei) F(riede), | מ”ר אסתר ע”ה |
[5] Ehefrau des Erhabenen, e(hrenhaften) H(errn) Gerschon | אשת הקצין כה”ר גרשון |
[6] Breier. | ברייער |
[7] I(hre Seele) g(ing hinweg) am 25. Tammus 671 n(ach der kleinen Zeitrechnung). | י”נ כ”ה תמוז תרע”א ל |
[8] Ester fand Gunst in den Augen aller, die sie sahen. | אסתר נשאה חן בעיני כל רואיה |
[9] Unerschütterlich war ihr Herz, Gutes zu tun all ihre Tage. | סמוך לבה לעשות טובה כל ימיה |
[10] Ihr Lob werden ihr Ehemann, ihre Söhne und ihre Bekannten künden. | תהלתה יביעו בעלה בניה ויודעיה |
[11] Der Wert ihrer großen Werke übertraf weit alle Perlen. | רבת פעלים מכרה רחוק מפנינים |
[12] Ihre Hände streckte sie dem Armen entgegen mit freundlichem Antlitz. | ידיה שלחה לאביון בסבר פנים |
[13] D(er Herr) wird ihr vergelten entsprechend ihrer Gerechtigkeit. | יגמלה ה כצדקתה |
[14] Im Garten Eden wir(d) ihre Seele sein. | בגן עדן תהי’ נשמתה |
[15] I(hre) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
Sockel (2)
[1] Fasching-Nagelreiter | |
[2] Sopron Balfi ut. | |
[3] | תמט |
Anmerkungen
Zeile 2: Babylonischer Talmud, Traktat 59b אשה חשובה u.a.
Zeile 7: Emendation. Datum ursprünglich falsch geschrieben, Korrektur am Stein unbrauchbar.
Zeile 8: Vgl. Ester 5,2 “…fand sie Gnade vor seinen Augen…” …נשאה חן בעיניו….
Zeile 9: Psalm 112,8 סצוך לבו u.a.
Zeile 11: 2 Samuel 23,20; 1 Chronik 11,22 רב פעלים. Babylonischer Talmud, Traktat Berachot 18b beschreibt den “tatenreichen Mann” als einen, der Taten für die Tora mehrte und sammelte …שריבה וקבץ פועלים. “Rav Pe’alim” ist auch der Titel eines alphabetischen Indexes aller ihm bekannten Midraschim von Abraham ben Elijah von Wilna (ca. 1750-1808), Sohn des Gaon von Wilna (Warschau 1894, New York 1958/59, Tel Aviv 1967?).
Sprüche 31,10 ורחק מפנינים מכרה; Wortumstellung aus Reimgründen.
Zeile 8-11: Akrostichon: Die Anfangsbuchstaben ergeben den hebräischen Vornamen der Verstorbenen (Ester).
Zeile 12: Sprüche 31,10 וידיה שלחה לאביון.
Zeile 13: Vgl. 2 Samuel 22,21 “Der Herr hat mir vergolten, weil ich gerecht bin…” יגמלני יהוה כצדקתי….
Zeile 14: “Eden” wird als Aufenthaltsort der verschiedenen Seele verstanden, später als Wohnort der Seligen, aber auch als vollkommenster Ausdruck der Belohnung (s. Zunz L., Zur Geschichte und Literatur, Berlin 1845, 341ff).
Sockel, Zeile 3: Die drei hebräischen Buchstaben auf der rechten Seite oben bezeichnen wahrscheinlich eine frühere Numerierung des Grabsteines (Zahlenwert: 449).
Biografische Notizen
Anna / Netti (Ester) Breier, gest. mit 82 Jahren am 21. Juli 1911 um 08 Uhr an Gehirnzergehung
Jahrzeittafel Ester Breier
Jahrzeittafel-Installation in der Synagoge unseres Museums
Jahrzeittafel von Ester Breier – die Übersetzung:
[1] Jahrzei(t) der Frau | יאהרציי’ של האשה |
[2] Ester | אסתר |
[3] Breier, | ברייער |
[4] Tochter der Libele. | בת ליבלא |
[5] 25. Tammus | כ”ה תמוז |
[6] 671 | תרעא |
Immerhin wissen wir durch die Jahrzeittafel den Synagogalnamen der Mutter: Libele.
Ausführliche Informationen über die Jahrzeit und die Jahrzeittafel-Installation in der Synagoge des Museums finden Sie im Blogartikel Jahrzeit.
Vater: Ignaz (Isak) Pollak
Mutter: Elisabeth / Elise (Libele) König
Ehemann: Georg (Gerschon) Breier / Breyer / Breuer, gest. 24. September 1922, geh. 22. Juni 1860 in Eisenstadt. Georg war bei der Hochzeit 28 Jahre, Netti 24 Jahre alt
Töchter:
Friederike Breyer?, geb. 17. März 1863? Diese Information finden wir in Klampfer J., Das Eisenstädter Ghetto (Burgenländische Forschungen 51), Eisenstadt 1965, Seite 43 und 184 (Heimatrollen), auch Seite 100 (Geburt Sohn Geysa Breyer 10. Dezember 1895, Alter von Friederike: 32 Jahre).
In den Geburtsmatriken konnten wir Friederike Breyer nicht finden, möglicherweise handelt es sich schlicht um ein falsch transportiertes Geburtsdatum und Flori (Pessel) Breyer ist Friederike (s.u.)?
Ehemann: Sigmund Breyer, Sohn des Igna(t)z (Isak) Breier / Breyer / Breuer / Bräuer und der Regina/e / Regi (Rachele) Breyer / Bräuer geh. 22. August 1882 in Eisenstadt.
Friederike Breyer wurde am 31. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet (Schoa-Opfer).
Flori (Pessel) Breyer, geb. 19. August 1865 in Eisenstadt 3, ebd. wohnhaft (Vater: Gerson, Mutter: Regine (sic!) geb. Pollak)
Bertha (Blümele?) Breyer, geb. 07. Juli 1867 in Eisenstadt 24, ebd. wohnhaft (Vater: Gerson, M: Netti, geb. Pollak)
Söhne:
Samuel (Salomon Salman) Breier / Breyer, geb. 30. März 1861 in Eisenstadt 129, gest. 13. Dezember 1904
Max / Miksa (Mordechai) Breuer / Breier, Privatangestellter, geb. 08. April 1870 (07. Nisan 630) in Eisenstadt, Beschneidung: “Erev Pesach”, also 14. Nisan = 15. April 1870 (Vater: Georg, Mutter: Netti, geborene Pollak), geh. 12. Mai 1907 in Eisenstadt Ludmilla Nossal, geb. 30. Mai 1871 in Wien, zuständig nach Koloděje (seit 1974 Stadtteil von Prag), Tochter des Moses Nossal und der Katalin Schwarz. Namensänderung von “Breuer” auf “Breier” 1910.
David Breuer, geb. 01. Dezember 1871 in Eisenstadt (Vater: Gerson Breuer, Mutter: Netti, geb. Pollak)
Ignaz Breyer / Breier, Bankbeamter in Wien, geb. 18. August 1875 in Eisenstadt (Matriken-Nachtrag vom 02. Mai 1910), (Vater: Georg Breyer, Mutter: Netti Pollak), geh. 14. März 1906 in Eisenstadt Charlotte / Sarolta Schönberg, geb. 13. August 1885 in Wien, Tochter des Ignaz/c Schönberg, Agent, und der Charlotte / Sarolta Weiss. Namensänderung von “Breyer” auf “Breier” 1910.
Material und Maße des Grabsteins
Gabbro, 225/74/42
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