Bondi Samuel – 15. Februar 1861

Bondi Samuel – 15. Februar 1861

Personenregister älterer jüdischer Friedhof Eisenstadt

Samuel ben Moses Bondi, 05. Adar 621 (= Freitag, 15. Februar 1861)

Z-34 (Wachstein 973)


 

Die Grabinschrift

Inschrift Samuel Bondi: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] D(er angesehene) M(ann), d(er ehrbare) H(err) Samuel, S(ohn des) seligen, geehrten e(hrbaren) H(errn) Mose Bondi. ה”ה כ”ה שמואל ב”המנוח הנכבד כ”ה משה באנדי
[2] Er verstarb am Tag 2 (= Montag), 8. Adar des Jahres 621 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). נפטר ביום ב’ ח’ אדר שנת תרכ”א לפ”ק
[3] H(ier liegt) b(egraben) פ”נ
[4] Samuel. Er starb nicht nach dem Lauf der Welt. שמואל מת שלא כדרך הארץ
[5] Bitter war sein letzter Tag, als er starb. מר הי’ לו יום האחרון בפרץ
[6] Trotzdem werden wir über ihn seine Rechtschaffenheit verkünden. ובכל זאת נגיד עליו ישרו
[7] Bei der Grabstätte seiner Väter fand er sein Grab. אצל קברת אבותיו מצא קברו
[8] Nicht wandelte er auf dem Weg der Bösen und Frevler. לא הלך בדרך רעים וחטאים
[9] Am Weg der Demütigen hing er und hasste die Hochmütigen. בדרך ענוים דבק ושנא גאים
[10] Sein Vater und seine Mutter waren aus einer erhabenen Familie, אביו ואמו היו ממשפחה רמה
[11] bekannt für all ihre angenehmen Taten. נודע לכל מעשיהם כי נעמה
[12] Die Wege G(ottes) liebten sie bis zu ihrem Ableben. דרכי ה’ אהבו עד יום מותם
[13] Rechtschaffen waren sie in ihrer Jugend so wie in ihrem Alter. ישרים היו כבחרותם כזקנתם
[14] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). תנצב”ה
 

Anmerkungen

“Er starb nicht nach dem Lauf der Welt.”

Nach mir gewordenen persönlichen Mitteilungen ist er auf dem Wege nach Ödenburg bei Schneewetter erfroren.

Wachstein B., Die Grabinschriften …, a.a.O., 277

Wir wissen auch den eigentlichen Grund, warum Samuel Bondi erfroren ist.

Der Handelsmann Samuel Bondi, 60 Jahre alt, zu Baumgarten in Ungarn ansässig, wird seit dem 11. dieses Monats unter bedenklichen Umständen vermisst. Derselbe fuhr am 11. dieses Monats nachmittags 4 Uhr auf seinem mit einem Pferde bespannten Wagen von Ödenburg nach Hause, ist jedoch daselbst bisher nicht eingetroffen. Sein Pferd wurde an demselben Tage abends, 8, Uhr, in Baumgarten eingefangen, der Wagen erst am folgenden Tage.

Wien 17. Februar 1861, Wiener Zeitung

Samuel Bondi aus Baumgarten bei Ödenburg, von dem berichtet wurde, dass er seit dem 15. d.M. unter bedenklichen Umständen vermisst wird, ist auf einem aufgeackterten Felde, eine bedeutende Strecke von jener Stelle, wo sein Wagen getroffen wurde, tot, jedoch ohne Merkmale erlittener Gewalttätigkeiten aufgefunden worden. Er war dem Trunke stark ergeben und dürfte in berauschtem Zustande der Kälte erlegen sein.

Wien 21. Februar 1861, Wiener Zeitung

Zeile 5: Wörtlich “Bitter war sein letzter Tag mit dem Todesfall”: פרץ wörtlich “Riss”, auch im Sinne von “Todesfall”. Vielleicht eine Anspielung auf 2 Samuel 6,8 und außerdem dem Reim geschuldet (erez – perez): וַיִּ֣חַר לְדָוִ֔ד עַל֩ אֲשֶׁ֨ר פָּרַ֧ץ יְהוָ֛ה פֶּ֖רֶץ בְּעֻזָּ֑ה וַיִּקְרָ֞א לַמָּק֤וֹם הַהוּא֙ פֶּ֣רֶץ עֻזָּ֔ה עַ֖ד הַיּ֥וֹם הַזֶּֽה׃ “Es schmerzte David, dass der Herr den Usa hinweggerafft hat, und er nannte diesen Ort ‘Perez-Usa’ (Sturz des Usa) bis auf den heutigen Tag.”

Zeile 10: In Anlehnung an Ijob 32,2: וַיִּ֤חַר אַ֨ף ׀ אֱלִיה֣וּא בֶן־בַּרַכְאֵ֣ל הַבּוּזִי֮ מִמִּשְׁפַּ֢חַ֫ת רָ֥ם “Das erregte den Zorn des Elihu, des Sohnes Barachel, des Busiters aus dem Geschlecht Ram”.

Zeile 11: Wörtlich: “bekannt für all ihre (3. Person Plural!) Taten, denn sie waren angenehm (eigentlich wohl “die Freundlichkeit o.Ä., also grammatikalisch ein Nomen)” (Reim!). Die Grammatik ist vor allem in diesem Satz aber ohnehin nicht ganz exakt, schon das einleitende נודע ist eine maskuline Form und müsste eigentlich mit “ER war bekannt für ihre Taten…” übersetzt werden.

Zeile 4 horizontal und Zeile 4 – 13 vertikal: Akrostichon: Die Anfangsbuchstaben der Zeilen 4-13 ergeben den Vor- und Nachnamen des Verstorbenen (Samuel Bondi), das erste Wort in Zeile 4 ist der Vorname Samuel.

 

Biografische Notizen

Samuel ben Moses Bondi, Handelsjude, gest. 05. Adar 621 = Freitag, 15. Februar 1861 am Erfrierungstod. Begraben wurde Samuel Bondi erst am 19. März 1861, siehe Sterbebuch.
In der Konskriptionsliste der hochfürstlich Esterházyschen Schutz-Juden in der Gemeinde Eisenstadt, Herrschaft Eisenstadt, aus dem Jahr 1836, findet sich Samuel Bondi als “Auswärtiger, wohnhaft in Drassburg”. Laut Sterbebuch und laut Zeitungsbericht, s.o., war er in Baumgarten wohnhaft.

Anmerkung zum Todesdatum:

In den Zeitungsberichten (s.o.) lesen wir am 17. Februar 1861 (geschrieben am 16. Februar), dass Samuel Bondi am 11. Februar (schon!) nachmittags von Ödenburg nach Hause fuhr, aber da nicht ankam. Demnach könnte Samuel Bondi um diese Zeit, also am 11. Februar am Abend schon tot gewesen sein. Samuel Bondi starb jedenfalls am bzw. an einem Datum nach dem 11. Februar. Er könnte also theoretisch auch am 18. Februar gestorben sein, weil er bis zum 16. Februar (Zeitungsbericht) nicht gefunden worden war. Allerdings klafft dann eine Zeitlücke von fast einer Woche. Wo war Samuel Bondi in diesen Tagen? Er müsste (schwer) verletzt 6 Tage irgendwo gelegen sein, bevor er am 18. starb. Und wie sollte der Tod am 18. Februar festgestellt worden sein? Wenn er am 15. Februar gestorben wäre, ist die Frage, warum die Zeitung noch Kenntnis davon hatte.

Im anderen Zeitungsartikel (s.o.) vom 21. Februar 1861 (geschrieben am 20. Februar) lesen wir, dass Samuel Bondi seit 15. Februar vermisst und tot aufgefunden wurde. Es ist jedoch kein Datum angegeben, wann genau er tot aufgefunden wurde. Es muss jedenfalls vor dem 20. Februar, dem Erscheinungsdatum des Artikels gewesen sein, also am 15., 16., 17., 18. oder 19. Februar.

Wenn wir jetzt aber nicht Bernhard Wachstein folgen in der Datierung des Sterbetages in der hebräischen Inschrift, sondern das Sterbedatum nicht ח אדר, sondern ה אדר lesen, dann hätten wir den 5. Adar und damit den 15. Februar 1861. Allerdings stimmt dann die Angabe des Wochentages in der hebräischen Grabinschrift nicht, weil der 5. Adar ein Freitag war (üblicherweise עש”ק) geschrieben. Allerdings, und das scheint mir ein wesentliches Argument zu sein, wurde die Inschrift irgendwann offensichtlich nachgezogen. Dieses Nachziehen sieht man besonders deutlich (leider) beim Sterbedatum! Also ob da wirklich ursprünglich ein ב stand, muss ohnehin offen bleiben. Ich bevorzuge tatsächlich nach eingehenden Überlegungen die Lesung ה אדר.

Conclusio:

  • Das Sterbedatum war der 5. Adar ( = 15. Februar), dann stimmt a) der (nachgezogene) Wochentag in der hebräischen Grabinschrift nicht und b) irrt Wachstein, von dem wir aber nicht wissen, welche Quellen er außer der hebräischen Grabinschrift noch zur Verfügung hatte.
  • Das Sterbedatum war der 8. Adar ( = 18. Februar), dann haben wir eine Übereinstimmung mit Wachstein und dem (nachgezogenen) Wochentag in der hebräischen Grabinschrift (Tag 2 = Montag), der 18. Februar stimmt aber wohl eher nur mit dem zweiten Zeitungsbericht überein.

Interessant jedenfalls in diesem Zusammenhang, dass der Eintrag im Sterbebuch kein Sterbedatum ausweist! Und auch die Frage, warum er erst Mitte März begraben wurde, muss offen bleiben.

Ich korrigiere jedenfalls das Sterbedatum auch in der URL des Artikels auf 15. Februar 1861.

Eintrag Sterbebuch Eisenstadt, Samuel Bondi
Eintrag Sterbebuch Eisenstadt, Samuel Bondi

 

Vater: Moses Schick, genannt Bondi ben Berech Schick, gest. 17. August 1846

 

Schwester: Lea Schick, gest. 02. Oktober 1873

 

Bruder: Salomo Bondi, gest. 30. März 1871

 

Ehefrau (wahrscheinlich): Theresia Bondi, gest. 18. April 1842

 

Söhne:

Michael (Moses Jechiel Ahron) Bondi, gest. 14. Oktober 1850

Friedrich (Frigyes, Feibel) Bondi/y, gest. 04. November 1916, begraben am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt

Sowohl die Brüder als auch Sohn Michael sind nebeneinander begraben (siehe Bilder oben).

 

Beachte besonders auch den Artikel ““Er starb nicht nach dem Lauf der Welt”“.

 

Personenregister älterer jüdischer Friedhof Eisenstadt

 

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