Ein Kurzbesuch in Frauenkirchen
Eine sehr angenehme dienstliche Verpflichtung führte mich heute von Eisenstadt ins Franziskanerkloster nach Frauenkirchen, einem Ort im Seewinkel, wo über 250 Jahre lang eine jüdische Gemeinde existierte, die zeitenweise ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachte.
Unweigerlich fällt mir beim Spaziergang durch das ehemalige jüdische Viertel ein:
Der Rabbi von Frauenkirchen war sehr zugeknöpft, als ich bei ihm vorsprach. Sein gutes Recht, vielleicht auch seine Pflicht, dem Fremden gegenüber. Aber als ich erzählte, in einer Eisenstädter Gastwirtschaft, die als einwandfrei koscher anerkannt ist, sei ich einem Frauenkirchner begegnet, der dort kein Fleisch genoss, wurde der einsilbige Mann plötzlich lebendig. Seine Augen leuchteten auf und er triumphierte sichtlich befriedigt:
“Das war recht von ihm.”
Und ich entnahm unschwer, dass sich aus der Koscher-Fleischfrage zwischen Frauenkirchen und Eisenstadt eine Differenz von unerhörter Wichtigkeit ergeben hat: Khille Geist.
Otto Abels, in: Wiener Morgenzeitung, Nr. 2881, 1927.
In Frauenkirchen gibt es heute keine Juden mehr. Der letzte Jude, Paul Rosenfeld, starb 2003 und ist in Wien begraben. Auf eigenen Wunsch! Nicht in Frauenkirchen, obwohl regelmäßiger Teilnehmer an den örtlichen Wirtshausstammtischen. Was dort (und wohl nicht nur dort) so gesprochen wurde, wissen noch manche der älteren Frauenkirchner zu berichten. Hört man das, ist Paul Rosenfelds Wunsch zu verstehen …
Barbara Coudenhove-Kalergi schrieb 1986 in ihrem bemerkenswerten Aufsatz “Paul Rosenfeld. Einer kam zurück”:
… An den letzten Akt erinnert sich die Wirtin des Bahnhofgasthofs. Sie sieht es noch wie heute: den Junitag, den langen Zug der Menschen, jeder nur ein kleines Bündelchen in der Hand. Viele bekannte Gesichter. Es ging durch die Hauptstraße, durch die Esterházygasse, zum Bahnhof. Dort wurden alle auf Viehwaggons geladen. “Das war ein Weinen.”
Und niemand hat geholfen?
Nein. Niemand. Was hätte man auch tun sollen?
Freilich, als der Nazibürgermeister des Ortes die Fronleichnamsprozession verbot, hat man doch etwas getan. Die Frauen hätten ihn mit ihren Besen über den Kirchenplatz gejagt, erzählt der Pater Josef von den Franziskanern.
Der große jüdische Friedhof in Frauenkirchen ist versperrt, der Schlüssel kann im Rathaus geholt werden. Leider ist der Platz vor dem Friedhofseingang wahrlich kein Ruhmesblatt für den Ort.
Der eiskalte, nasse und starke Nebel umfängt heute auch die Grabsteine.
Unter den Grabsteinen auch jener der Familie von Paul Rosenfeld, jener des großen Rabbiners Israel Pscherhofer (bitte Bilder durch Klicken vergrößern) und der jüngste Grabstein des Friedhofes: der eines 6jährigen ungarischen Mädchens, das 1957 auf der Flucht mit ihren Eltern über den Neusiedlersee erfroren ist:
Bis heute ist es in Frauenkirchen nicht gelungen, eine Gedenktafel oder einen Gedenkstein an die ehemalige jüdische Gemeinde zu errichten. Gerademal Gassen- und Platznamen erinnern: “Tempelplatz, Judengasse”…
2013 soll es endlich so weit sein, erfahre ich bei unserem heutigen Treffen mit Pater Elias, einem Nachfolger des obgenannten Pater Josef.
Als Beilage zu unserer heutigen Melange empfehlen wir Ihnen wärmstens das Buch: “Herbert Brettl. Die jüdische Gemeinde von Frauenkirchen”, 2. Auflage, Halbturn 2008.
Dear Österreichischen Jüdischen Museum,
I found a Halachic Responsa by Harav Avraham Chaim Oppenheim about the famous debate of the stirel fish / sturgeon from 1829. Content of question: In the city of Arad, there were Jews who were lenient and ate the starlet, although it was widely prohibited by the vast majority of Hungarian rabbis. Is it permissible for one who is lenient to eat the fish in a city that strictly forbids it?
The item was sent to Rabbi Yisrael Frau Kirchen (“from Fraukirchen”), who I suspect is Yisroel Pscherhofer zc”l.
https://il.bidspirit.com/ui/lotPage/source/search/auction/15087/lot/130114/Famous-Debate-of-the-Stirel-Fish?lang=en
Regards,
S. Bischitz
Hallo Alfred,
ja, es ist das zweite Foto und auf diesem der kleine, hellere Stein. Ich weiß aber leider nichts über R. Pscherhofer, ist lange her, dass ich das Foto gemacht habe ;-) Herbert Brettl müsste aber was wissen. Den Grabstein selbst kann ich mir aber gerne einmal genauer ansehen…, liebe Grüße Johannes
Vielen Dank, Johannes. Ein Ur- (ur-?) Enkel von Rabbi Pscherhofer hat sich bei uns gemeldet. Shlomo Ellinson, Rabbi in London. Er möchte Ende März den Friedhof besuchen und hat uns um Unterstützung gebeten.
Ich komme auf den Angebot zurück, wenn er sich mit näheren Details meldet.
LG, Alfred.
Hallo Johannes!
Du verweist oben im Text auf Rabbi Pscherhofer und ein nachfolgendes Foto seines Grabsteines. Welches Foto zeigt den Stein? Geich das zweite mit dem kleinen Stein im Hintergrund an der Friedhofsmauer?
Weißt du mehr über Pscherhofer? Gibt es Literatur?
LG, Alfred.
Na ja, also wenn das stimmt, müssen das jedenfalls mehrere “Ur’s” sein ;-) denn Rabbi Israel Pscherhofer ist vor Tagesanbruch des 1. Tages von Chanukka (also an Erev Chanukka) = 24. Kislew 476 = Freitag, 20. Dezember 1715 gestorben… hab das im Februar 19 mal zufällig kommentiert auf Facebook:
https://www.facebook.com/ojmEisenstadt/posts/10156056750902997?__tn__=-R (letzter Kommentar im Thread)
ah, sorry, der Kommentar gehört natürlich rauf zu deinem Posting…
Dear Johannes Reiss,
Are you sure about the date of death (1. Tages von Chanukka (also an Erev Chanukka) = 24. Kislew 476 = Freitag, 20. Dezember 1715)? His profile on Geni.com says he died in 1909.
https://www.geni.com/people/Yisroel-Pscherhofer/6000000002678061969
On the photo of the tombstone I can not see the date.
Dear Simcha, hmmm, maybe you’re right, thank you very much for your comment! The death date you’ll find in line 7. There is written:
בא שמשו ביום אור א דחנכה עתו לפק or, if you’re right (and I think you’re right):
בא שמשו ביום אור א דחנכה עתר לפםק
this is 24 Kislev 670 = 07 December 1909.