Kobersdorf ist in einigen Punkten wirklich vorbildlich. Es gibt im Burgenland keinen Ort, der schönere, bessere und genauere Hinweistafeln auf die Reste der ehemaligen jüdischen Gemeinde hat als Kobersdorf. Sowwohl die ehemalige Synagoge als auch der jüdische Friedhof sind mit diesen Tafeln problemlos zu finden.
Nun gibt es auch, zumindest relativ zeitnah, eine neue Tafel gegenüber der ehemaligen Synagoge mit aktualisierten Daten. Löblich.
Im 2. Absatz, 3. Zeile heißt es aber:
“Bis zu deren Vertreibung im Jahr 1938 diente sie den jüdischen KobersdorferInnen und den dazugehörenden Gemeinden als kulturelles, gesellschaftliches und spirituelles Zentrum.”
Ich weiß nicht, was man sich darunter vorstellen soll.
Jedenfalls war eine Synagoge und selbstverständlich auch die Synagoge von Kobersdorf eben bis 1938 nicht in erster Linie ein kulturelles, gesellschaftliches und spirituelles Zentrum. Nein, die Synagoge war vor allem das religiöse Zentrum der jüdischen Gemeinde und die wichtigste Institution der jüdischen Religion. Was würde wohl Rabbiner Abraham Zwebner dazu sagen, der die neu gebaute Synagoge zu Pesach 1860 feierlich eröffnet hat. Zwebner eröffnete zweifelsfrei weder ein Kulturzentrum noch ein spirituelles Zentrum, sondern ein Gebetshaus für die zahlenmäßig stark gewachsene jüdische Gemeinde.
In der Wikipedia lesen wir:
Eine Synagoge (von altgriechisch συναγωγή synagōgē, „Versammlung“) ist ein Gebäude, das der Versammlung, dem gemeinsamen Gottesdienst und oft auch als Lehrhaus einer jüdischen Gemeinde dient. Sie ist die wichtigste Institution im Judentum …
Und auf der Website der CHABAD-Bewegung heißt es knapp und unmissverständlich:
Die Synagoge ist das jüdische Gebetshaus, in dem gebetet und gelernt wird.
Heute, nachdem die Jüdinnen und Juden aus Kobersdorf vertrieben und viele von ihnen ermordet worden sind, ist die renovierte ehemalige Synagoge ein kulturelles und gesellschaftliches Zentrum. Vielleicht hin und wieder auch ein spirituelles ;-)
Und dann wäre natürlich noch eine Tafel in Kobersdorf, die sehr dringend zu erneuern wäre: die Informationstafel beim jüdischen Friedhof. Sie strotzt geradezu vor Fehlern, darüber vielleicht ein andermal…