Pollak Israel – 16. Dezember 1886

Pollak Israel – 16. Dezember 1886

Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt

Israel (Esriel) Pollak, 20. Kislew 647 (= Donnerstag, 16. Dezember 1886)

Standortnummer: 209

  • Grabstein Pollak Israel - 17. Dezember 1886

    Foto 1993

  • Grabstein Pollak Israel - 17. Dezember 1886

    Foto 2016

 

Die Grabinschrift

Inschrift Israel Pollak: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] H(ier liegt) b(egraben) פנ
[2] der Rabbinische, der Ausgezeichnete, der gütige und angesehene Mann von hohem Alter. הרבני המופלג איש חסד זקן ישיש ונכבד
[3] Als Kantor erlangte er Berühmtheit durch Frömmigkeit und die wunderschöne Stimme. חזן התפרסם בצדקות ונעימות הקול
[4] Die Gebete und Loblieder sang er mit höchster Hingabe. צקון לחש בהתעוררות רוממות
[5] D(ie Ehre) s(eines Namens) w(ar seine Zier), der MORENU כשת’ מוה
[6] Esriel Pollak, עזריאל פאללאק
[7] d(as Andenken( d(es Gerechten) m(öge bewahrt werden). זצל’
[8] In seiner Jugend diente er einem der Größten seiner Generation und deren Haupt, בנעוריו שמש גדולי הדור בזמנו ובראשם
[9] dem überaus bedeutenden Gelehrten Chatam Sofer, d(as Andenken) d(es Gerechten) m(öge bewahrt werden), und fand Gefallen הגאון בעל חתם סופר זצל ומצא חן
[10] und Gnade vor seiner […], seiner Hoheit und seiner Gottesfurcht, וחסד לפני הס[…]תו ומעלתו ויראתו
[11] denn er war berühmt durch seine Studienfortschritte sowie die Annehmlichkeit seiner Stimme. כי היה מפורסם בלימודו כמו בנעמת קולו
[12] Heiligmäßig diente er in unserer Gemeinde 44 Jahre. וישרת בקודש בקהלתינו מ”ד שנים
[13] Seine Arbeit erledigte er vollkommen in Ehre und großem Ruhm עבד עבודה תמה בכבוד ורב תפארת
[14] […] und Werke der Mildtätigkeit. […]ה וגמילות חסדים
[15] Ihm [vergleichbar waren] in […Jahre]. ו[יעממו]הו בקה[…שנים]
[16] Er starb mit 84 Jahren, und seine Seele ging hinweg in Reinheit מת בן פד שנים ויצאה נשמתו בטהרה
[17] am Freitag, dem V(orabend) d(es heiligen) Sch(abbat), dem 20. Kislew, und er wurde betrauert und begraben in großer יום ו עשק כ כסליו ונספד ונקבר בכבוד
[18] Ehre גדול
[19] am Sonntag (in der Woche) des T(oraabschnittes) “Nach Ablauf…” des Jahres 647 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). יום א פ מקץ שנת תרמז לפק
[20] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). תנצבה
 

Anmerkungen

Zeile 4: Jesaja 26,16 צקון לכש. Das Wort צקון gilt als unerklärt. Raschi versteht unter צקון לכש das “Ausgießen von Gebet und Lob” שפך שיח ותפלה. Buber-Rosenzweig übersetzen die Worte mit “Zauberzwang”.

Zeile 5: MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).

Zeile 9: Chatam Sofer ist der Beiname für Mose Frankfurt (1762 – 1839), den Rabbiner von Pressburg und Stammvater der Dynastie Schreiber (“Sofer”) und Gründer der Pressburger Schule, eines Zentrums der Orthodoxie. Siehe dazu unseren Blogbeitrag Akiba Eger und Chatam Sofer.

Zeile 19: Der Toraabschnitt מקץ… “Nach Ablauf…” (Genesis 41,1-44,17) ist der zehnte im einjährigen Lesezyklus.

 

Biografische Notizen

Israel (Esriel) Pollak, verwitwet, Kantor, geb. in S/Tob?, gest. mit 84 Jahren in Oberberg-Eisenstadt. Israel Pollak starb lt. hebräischer Grabinschrift am 20. Kislew 647, das ist der 17. Dezember 1886. In den Matriken ist als Sterbedatum der 16. Dezember angegeben, was wohl daran lieg, dass Israel Pollak in den Abendstunden des Donnerstags verstirbt und somit bereits am 20. Kislew.

Matriken Tod Israel Pollak

Matriken Tod Israel Pollak

 

Eisenstadt, 19. Dezember. Tief erschüttert kehren wir von einem schweren Gange zurück. Rabbi Esriel Pollak ist nicht mehr. Heute haben wir seine irdischen Überreste zur letzten Ruhe bestattet. Wie groß der Verlust ist, den Familie und Gemeinde erlitten, wie tief der Schmerz aller derer, die den theuren Entschlafenen kannten, das bezeugte die große allgemeine Trauer, mit der sich die ganze Gemeinde um die Bahre des Verschiedenen schaarte. Ein Menschenleben ist abgeschlossen, welches nur im Studium des heiligen Gesetzes und in ernster inniger Frömmigkeit sich bewegt hatte. Fünfundvierzig Jahre bekleidete er das Amt eines Chasan bei uns, und wenn das Wort eine Wahrheit ist אין מקומו של אדם מכבדו אלא האדם מכבד את מקומו [“Nicht der Platz des Menschen ehrt ihn, sondern der Mensch ehrt seinen Platz…”(Babylonischer Talmud, Traktat Ta’anit 21b)], so kam dieses bei ihm zur vollen Geltung. Er hatte sich schon frühzeitig dem Studium der Thora zugewandt und blieb diesem fast bis zu seinem Tode treu. Er saß zu den Füßen berühmter Meister, des R. Mosche Sofer und des diesem ebenbürtigen bekannten Bonihader Rabbinen, von welchen er auch die Rabbinats-Qualifikation התרת הוראה [Lehrerlaubnis] hatte. Sein Leben war buchstäblich zwischen dem Studium des Gesetzes und der Bethätigung desselben durch Werke der Liebe und Frömmigkeit getheilt. Im Trauerhause widmete der Rabbinats-Assessor Herr I. Tachauer und auf dem Begräbnisplatze Herr Rabbiner S. Kutna dem Verblichenen einen würdigen Nachruf.

Jeschurun 30. 12. 1886, Heft 52, 829f

 

Ehefrau: Katharina / Katalin Fischer (s. Sterbematrik von Tochter Karoline!)

 

Töchter:

Karoline / Helene / Leni (Mirjam Lea) Pollak, geb. 1833?, geh. 29. Juni 1854 Igna(t)z Figdor, Sohn des A(h)ron Figdor, gest. 19. August 1869, und der Franziska (Fradel) Figdor, gest. 13. November 1847, beide begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt.

 

Nettel Pollak, geb. 18. September 1845 in Eisenstadt, bei der Geburt gestorben

Matriken Geburt Nettel Pollak

Matriken Geburt Nettel Pollak

 

Johanna Pollak, geb. 28. Oktober 1846 in Eisenstadt

Matriken Geburt Johanna Pollak

Matriken Geburt Johanna Pollak

 
 

Söhne:

Samuel J. Pollak, geb. 08. März 1836 in Eisenstadt

Matriken Geburt Samuel J. Pollak

Matriken Geburt Samuel J. Pollak

 

Moritz Pollak, 01. Oktober 1837 in Eisenstadt (Mutter: Theresia, Vater: Israel Pollak, Schulsinger), bei der Geburt gestorben

Matriken Geburt Moritz Pollak

Matriken Geburt Moritz Pollak

 

Herman/Leopold Pollak, geb. 20. September 1839 (Mutter: Theresia, Vater: Israel Pollak, Schulsinger)

Matriken Geburt Herman/Leopold Pollak

Matriken Geburt Herman/Leopold Pollak

 

Salomon Pollak, geb. 21. September 1849 in Eisenstadt, bei der Geburt gestorben

Matriken Geburt Salomon Pollak

Matriken Geburt Salomon Pollak

 

Material und Maße des Grabsteins

Kalksandstein, 178/63/27

 

Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt

 

Ein Kommentar

  1. Chaya-Bathya (Claudia) Markovits

    Nachruf auf R. Esriel Pollak:

    Jüdische Presse (Berlin), Nr. 1 (6. Jänner 1887), S. 6:

    Eisenstadt, 24. Dezember, (Orig,-Corr.) Am vergangenen Sabbath verschied hier ein Edler, der seit einem halben Jahrhundert der Gemeinde zurgrößten Zierde gereichte: Rabbi Esriel Pollak, mit welchem wieder Einer der schon so außerordentlich Wenigen dahingegangenen, die sich dem Thorastudium nicht “als Spaten um damit zu graben,” sondern nur um seiner selbst willen ergeben. Als langjähriger Schüler der beiden Gestirne erster Größe, R. Hirsch Charif in Bonyhad und R. Mosche Sofer, in Preßburg war er durch eigene, sehr bedeutsame Begabung befähigt, Rabbiner der größten Gemeinde zu werden; aber so unausgesetzt er auch der heiligen Lehre anhing, ja ihr jede freie Minute widmete, verschmähte er es dennoch, sie zum Broderwerbe zu degradiren; er wählte vielmehr zu diesem die zweite “Säule der Welt” die Awodah [hier: Gebet]. Mit einer wunderbar melodischen Stimme begnadet, die schon seinen großen Lehrer Rabbi Mose Sofer außerordentlich ergötzte, fungirte er als – Vorbeter. Wenige Leser werden eine Vorstellung von dem mächtigen Eindrucke haben, den dieser “Cantor” bei den Zuhörern hervorzurufen, wie er dieselben zur höchsten Andacht emporzuheben vermochte. Wußte man ja, daß dieser “Gemeindedelegat”[heb. scheliach zibbur] ein Talmud(!)-Chacham [richtig: Talmid-Chacham = rabbinischer Gelehrter] ersten Grades und von rührender Frömmigkeit durchdrungen war. Aber dieser Gottesmann beschränkte sich durchaus nicht auf seinen Gemeindedienst; viele Decennien hindurch, solange überhaupt seine Kraft nicht versagte, entwickelte er auf dem Gebiete des Wohlthuns eine wahrhaft bewundernswürdige Thätigkeit. Unverdrossen und unausgesetzt klopfte er an die Thüren der wohlhabenden Mitglieder der Gemeinde, und bei der Liebe, mit der ihm Alle entgegenkamen und bei der Hochachtung, die man für ihn fühlte, waren seine Bemühungen meist von Erfolg gekrönt; ja er erstreckte diese Thätigkeit des Edelmuthes nicht nur auf Vorkommnisse in seiner, sondern auch auf solche in den Nachbarsgemeinden, zwischen denen von jeher eine gewisse Wahlverwandtschaft existirte. – Seit ungefär 12 Jahren nahmen seine Kräfte merklich ab, und der später erfolgte Tod seiner Frau erschütterte ihn so sehr, daß sein Verstand fast umnachtet wurde. Doch erholte er sich hievon und gewann die Sammlung des Geistes wieder, zur geliebten Thora zurückzukehren, der er, längst pensionirt, bis an sein Lebensende unausgesetzt sich hingab. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß die ganze Gemeinde ihrem theuren, so verdienstvollen Freunde die letzte Ehre erwies. Herr Rabbinats-Assessor J. Tachauer gab im Trauerhause und der Herr Rabb. S. Kuttna auf dem Begräbnißplatze dem großen Verluste der Gemeinde einen würdigen Ausdruck תנצב”ה.

    http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/4813974

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