Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Theres(e) (Resl) Hecht, 12. Adar 661 (= Sonntag, 03. März 1901)
Standortnummer: 606
Die Grabinschrift
[1] Hier liegt und ruht eine tüchtige Frau. | פה תישן תנוח אשת חיל |
[2] Ihren Mund öffnete sie mit Weisheit und Einsicht. | פיה פתחה בחכמה ובתבונה |
[3] Viele Frauen waren erfolgreich, | רבות בנות עשו חיל |
[4] doch sie übertraf sie alle. | והיא עלתה על כלנה, |
[5] In der Mitte ihres Lebens wurde sie dem Lebensbaum entrissen | בחצי ימיה נקטפה מעץ החיים, |
[6] im Jahr 661 am 12. des Monats Adar | בשנת ת’ר’ס’א’ י”ב לחדש אדר |
[7] und wurde begraben am Tag des Fastens und Weinens der Juden. | ונקטפה בינם צום ובכי ליהודים |
[8] Ihr Ehemann, ihre Tochter und ihre Söhne beweinten den Verlust. | בעלה בתה ובניה יבכו השבר: |
[9] “Zur Erde fiel die Krone unseres Hauptes, | “לארץ נפלה עטרת ראשנו, |
[10] die Freude unseres Herzens ging dahin. | משוש לבנו הלך אזל |
[11] Weh uns, denn sie hat sich von uns entfernt, | אוי לנו כי רחקה ממנו |
[12] die Gattin meiner Jugend, unsere edle Mutter Resl.” | אשת נעורי, אמנו היקרה ריזל” |
[13] Ihre Taten werden nicht vergessen werden, und ihre Seele | מעשיה לא ישכחו ונפשה |
[14] möge eingebunden sein im Bund des Lebens. | תהי צרורה בצרור החיים. |
Sockel – Die Grabinschrift
[1] Dies ist der Grabstein | זאת מצבת |
[2] der Frau Resl, i(hr Andenken) m(öge bewahrt werden), | מרת ריזל ז”ל |
[3] Ehefrau des MORENU Isak, gena(nnt) Doktor Hecht |
אשת מהורר יצחק המכו’ דאקטר העכט |
[4] und Tochter der Frau Eva, s(ein Hort) b(ehüte sie). | ובת מרת חוה י”צ |
Sockel2
[1] Bineter, Bpest. Karlsring 13 |
Anmerkungen
Zeile 1: Sprüche 12,4, 31,10; Rut 3,11 אשת חיל.
Zeile 2/3: Sprüche 31,26 פיה פתחה בחכמה.
Zeile 3/4: Vgl. Sprüche 31,29 “Viele Frauen (wörl.: ‘Töchter’) waren erfolgreich, doch du übertrafst sie alle רבות בנות עשו חיל ואת עלית על כלנה.
Zeile 5: Vgl. Psalm 102,25 “Mein Gott, raff mich nicht hinweg in der Mitte meines Lebens” אֵלִ֗י אַֽל־תַּ֭עֲלֵנִי בַּחֲצִ֣י יָמָ֑י.
Zeile 7: Schreibfehler in der Inschrift: Es muss ביום צום “am Tag des Fastens” heißen.
Zeile 9: Klagelieder 5,16 נפלה עטרת ראשנו.
Zeile 12: Maleachi 2,14 אשת נעוריך. Vgl. auch Joel 1,8 בעל נעוריה; der Ausdruck würde im Falle einer Scheidung nicht verwendet werden (vgl. bes. babylonischer Talmud, Traktat Gittin 90b u.a.).
Sockel, Zeile 3: MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).
Sockel, Zeile 4: Die Deutung der Abkürzung ist hier aufgelöst in שמרה צורו (s. Zunz L., Zur Geschichte und Literatur, Berlin 1845, 309ff). Diese Deutung ist eine Euphemie für Lebende und setzt daher voraus, dass Frau Eva zum Zeitpunkt des Todes der Tochter noch gelebt hat. Dies war auch tatsächlich der Fall: Netti Schlesinger, geb. Buzlau, starb am 16. März 1916.
Biografische Notizen
Theres(e) (Resl) Hecht, geb. Schlesinger, geb. 29. März 1859 in Eisenstadt, wh.: Oberberg-Eisenstadt (s. u. Geburtsmatriken), gest. am 03. März 1901 um 17h in Eisenstadt an Herzleiden (s. u. Sterbematriken).
Vater: Sigmund (Issachar) Schlesinger, gest. 27. Juni 1900 in Eisenstadt
Mutter: An(n)a (Netti, Eva) Schlesinger, geb. Bunzlau, gest. 16. März 1916 in Eisenstadt
Nur am Rande angemerkt sei, dass Therese Hechts Vater Sigmund Schlesinger der Sohn der Theresia Wolf ist, Tochter des Joachim Wolf und der Franziska (Frumet) Wolf, Therese Hecht somit Urenkelin von Joachim Wolf ist. Siehe dazu einerseits die Verlinkungen bei den jeweiligen biografischen Notizen und andererseits auch den kurzen Überblick des Familienstammbaums im Artikel “Ein teurer Mannn…”.
Ehemann: Dr. Ignacz (Isak) Hecht / Hantos (Namensänderung von Hecht auf Hantos 1912, s.u. Anmerkung in den Trauungsmatriken), gest. 18. März 1927 in Eisenstadt?, geh. 25. Februar 1879 in Eisenstadt. Ignacz war zum Zeitpunkt der Hochzeit 35 Jahre, Theres(e) Schlesinger 19 Jahre alt, beide ledig.
Tochter: Charlotte (Sarolta) Hecht, geb. 04. Dezember 1879 in Budapest, wh: Eisenstadt, geh. 29. April 1900 in Eisenstadt Dr. Adalbert (Béla) Rapaport, Religionslehrer, geb. 15. März 1863 in Bodrog-Keresztúr, wh: Budapest, Sohn von Martin Rapaport, Rabbiner-Stellvertreter in Erdö-Bénye und der Rosa Danzinger aus Erdö-Bénye.
Dr. Rapaport änderte 1911 seinen Namen in Pap! (s. Anmerkung links oben in den Trauungsmatriken!).
Das Ehepaar Charlotte und Béla hatte zwei Söhne:
Kornel Pap, geb. 08. Mai 1901 in Budapest, geh. 17. Jänner 1932 in Budpest Lenke Keszler, beide jüdisch (s. u. Trauungsmatriken)
László Pap, geb. 10. November 1905 in Budapest, geh. 30. September 1936 in Budapest Erika Lajta, beide jüdisch (s. u. Trauungsmatriken)
Söhne:
Dr. Elemér Hantos, geb. 12. November 1880 in Budapest, gest. 28. Juli 1942 um 17h in Budapest, Árpád utca 6 (s. u. Sterbematriken); Jurist, Ökonom und Wirtschaftspolitiker, Hochschullehrer, Publizist, macht politische Karriere, zwischen 1910 und 1918 Parlamentsabgeordneter, 1917 wird er politischer Staatssekretär in Ungarn.
Elemér Hantos heiratet am 17. März 1921 in Budapest Karolina Wolfner, beide reformiert (s. u. Trauungsmatriken).
Der oben zitierte Wikipediaeintrag über Elemér Hantos liefert übrigens ein falsches Geburtsdatum und lässt auch das Sterbedatum offen, gründlichere Recherchen wären ratsam gewesen.
Aladár Hantos, Ingenieur, geb. 03. Februar 1882 in Budapest, geh. 17. Jänner 1921 Olga Sebestyén, Tochter des Advokaten Dr. jur. Samuel Sebestyén und der Josefa Ehrenstein, in Budapest, beide römisch-katholisch (s. u. Trauungsmatriken), am 23. Juni 1932 2. Ehe mit Janka Weisz in Budapest, Aladár Hantos römisch-katholisch, Janka Weisz jüdisch.
Die Ehe mit Olga Sebestyén sollte nur 2 Jahre dauern, denn am 31. Jänner 1923 heiratet Olga Sebestyén Béla Leopold Ignaz von Landauer, Bankbeamter in Budapest, geb. 18. November 1900 in Szob, später getauft, Sohn von Dr. jur. Béla (Albert) von Landauer, Politiker und Schriftsteller, Verwaltungsrat der Danica AG für chemische Industrie in Budapest, geb. 09. Mai 1870 in Pest, Taufe 13. August 1895 in Budapest, röm.-kath. Pfarre Elisabethstadt, gest. 13. Juli 1922 in Budapest. Verheiratet war er seit 06. November 1897 mit Helene (Ilona) Cimponeriu, geb. 16. Februar 1875 in Nagy Kanizsa [eine der heute in Ungarn liegenden 5-Gemeinden], später getauft in griechisch-katholischer Pfarre.
Gaugusch Georg, Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938, L-R, 1732f
Material und Maße des Grabsteins
Granit, 248/81/65
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