Baumgarten Resl – 20. Juni 1904

Baumgarten Resl – 20. Juni 1904

Resl Baumgarten, 08. Tammus 5664 (Montag, 20. Juni 1904)

  • Foto: Grabstein von Resl Baumgarten, 08. Tammus 5664
  • Datenblatt Isidor Öhler: Resl Baumgarten, 08. Tammus 5664
 

Die Grabinschrift – Übersetzung

Die Inschrift ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil sie – trotz zitatenreicher Textfülle – praktisch keine Eulogie (Lob) aufweist, sondern aus 4 auch optisch schön getrennten Abschnitten besteht: Einleitung und sehr ausführliche Einleitungsformel – Name mit familiären Verhältnissen – Sterbedatum – Schlusseulogie.

Da sich nahezu der gesamte Text auf ihren Namen und die Datierung(en) bezieht, soll er ausnahmsweise hier zeilengerecht übersetzt werden.

Zeile 1: H(ier liegt) g(eborgen)
Zeile 2: die tüchtige Frau, die Krone ihres Mannes (Sprüche 12,4) und Freude/Liebling
Zeile 3: seiner Augen (Ezechiel 24,16 u.a.). Die Mutter wurde über ihren Kindern niedergestreckt (Hosea 10,14). Im 40.
Zeile 4: Jahr (vgl. 2 Chronik 16,13) entfloh ihr das Leben (Genesis 35,18), die herrliche Königstochter (Psalm 45,14; aus Reimgründen umgestellt),
Zeile 5: die Bescheidene, Fromme, Teure und Begehrte:

Zeile 6: Frau Resl, a(uf ihr sei der) F(rieden),

Zeile 7: Tochter d(es) g(roßen) R(abbiners) MORENU Schalom Beer Stern, s(ein Licht) m(öge leuchten)
Zeile 8: aus der Familie des Baal Chatam Sofer, d(as Andenken) d(es Gerechten) m(öge bewahrt werden),
Zeile 9: Ehefrau des MORENU Josef Baumgarten, s(ein Licht) m(öge leuchten).

Zeile 10: I(hre Seele) g(ing hinweg) in der Nacht (auf Tag) 3 (= Dienstag), 8. Tammus in der Stadt Wien
Zeile 11: Und sie wurde von ihrer Familie hier (= in Mattersdorf) zu Grabe gebracht
Zeile 12: am (Tag) 4 (= Mittwoch), 9. Tammus 664 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung).

Zeile 13: I(hre) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens).

Biografische Notizen

Zeile 3/4: Resl Baumgarten starb mit 40 Jahren.

Zeile 7 und Zeile 9: Aufgrund des Segenswunsches wissen wir, dass sowohl ihr Vater als auch ihr Ehemann zum Zeitpunkt ihres Ablebens noch lebten.

MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).

Zeile 10: Vor ein erhebliches Problem stellt uns die Angabe “in der Nacht auf Tag 6 (Freitag)” und das Tagesdatum 5. (!) Tammus. Einerseits ist Resl Baumgarten laut diesen Angaben in den Abendstunden des Donnerstag gestorben, das wäre aber der 4. Tammus (= und noch Donnerstag Abend, 16. Juni). Der 5. Tammus (= 18. Juni) ist aber der Schabbat.
Wollen wir die beiden Angaben “Nacht 6” und “5. Tammus” harmonisieren, müsste die Nacht von Freitag auf Schabbat gemeint sein (was aber unüblich ist, weil es dem jüdischen Tag-/nachtrhythmus widerspricht) und sie wäre eben Freitag Abend gestorben und somit schon am 5. Tammus (aber noch am 17. Juni). Darüber hinaus würde ich beim 5. Tammus auf jeden Fall ein “Schabbat Qodesch” ש”ק erwarten.

Update 19. 12. 2014: Sterbedatum ist die Nacht von Montag (auf Dienstag = Tag 3), also schon der 8. Tammus, aber noch der 20. Juni, siehe dazu den Kommentar von Joseph Feldman!

Unterm Strich bleibt also eine Unsicherheit bezüglich des Sterbedatums: 4. oder 5. Tammus bzw. 17. oder 18. Juni?

Öhler liest – wie üblich in solchen Fällen – falsch, indem er “(Nacht) 6 und 5(. Tammus)” zusammenzählt und so auf 11. Tammus kommt.

 

Personenregister jüdischer Friedhof Mattersburg

 

9 Kommentare

  1. Joseph feldman

    She died on Monday night 8th of Adar & was buried Wednesday the 9th of Adar that’s what it says in the footnote in the preface to the sefer Pardes Yosef י”נ ליל ג’ ח’ תמוז בעיר וויען והובלה לקבורת משפחתה פה
    (mattesdorf) ביום ד’ ט’ תמוז תרס”ד

  2. Chaya-Bathya (Claudia) Markovits

    Ihr Mann R. Josef Baumgarten war Vorsitzender des Rabbinatsgerichtes der orthodoxen Schiffschul-Gemeinde in Wien.

    Geboren wurde er 1864 in Zalamanka bei Holleschau in Mähren. Sein Vater R. David war in männlicher Linie ein direkter Nachkomme des Kabbalisten R. Abraham Proßnitz, ein Schüler des R. Jonathan Eibschütz. Nach dem Tode seiner Mutter wuchs R. Josef im Hause seines Großvaters R. Avigdor Fischer auf. Als Jugendlicher lernte er in der Mattersdorfer Jeschiwa bei den Rabbinern R. Schmuel und R. Simcha Bunem Ehrenfeld.

    Er heiratete Resl, die Tochter der Schwester seines Meisters (somit war sie eine Urenkelin des Chatam Sofer) und des R. Schalom Ber Stern aus Szerdahely (Dunajska Streda, Slovakei).

    Nach seiner Hochzeit wohnte er in Mattersdorf, bis er von R. Salman Spitzer in Wien zum Vorlerner seines in Wien gegründeten Bet Midrasch “Tora Etz Chaim” ernannt wurde. (R. Salman Spitzer war der Rabbiner der Schiffschulgemeinde.) Später wurde R. Josef dann auch noch, wie bereits oben erwähnt, zum Vorsitzenden des Rabbinatsgerichts der Schiffschul-Gemeinde ernannt.

    Über R. Josef wird erzählt, er habe den Großteil der Nacht dem Torastudium gewidmet, während er tagsüber als Lektor und mit Gemeindeangelegenheiten beschäftigt war. Er soll besonders auf die Jugend eine besondere Anziehung ausgeübt haben; die Burschen und jungen Männer scharten sich um ihn, um von ihm Tora zu lernen.

    Er starb am 6. Adar des Jahres 1932 und wurde in Mattersdorf beigesetzt.

    Einiger seiner Schriften wurden unter dem Namen “Pardes Josef” (London 1956) veröffentlicht.

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