Über die Kategorie “Bagatellen”
Jakob Mayer, 07. Elul 651 = (Donnerstag, 10. September 1891)
Der Grabstein befindet sich am jüdischen Friedhof Graz, Anfrage (und auch die Fotos) von Frau Dr.in K.HT.
Die hebräische Grabinschrift
[1] H(ier ist) b(egraben) | פ”ק |
[2] ein Mann von verständigem Geist und freizügigem Herzen, | איש יקר רוח ונדיב לב |
[3] alt und satt an Jahren, | זקן ושבע ימים |
[4] der MORENU (= unser Lehrer und unser Meister, der Herr) Jakob Mayer. | מוה יעקב מאיער |
[5] Er starb in gutem Namen am 7. Elul 651 n(ach der kleinen Zeitrechnung). | וימת בשם טוב ז אלול תרנא ל” |
[6] Jakob ging seines Weges bis zum Land des Lebens. | יעקב הלך לדרכו לארץ החיים |
[7] Im Alter von 80 Jahren stieg dein Geist in den Himmel auf. | בן שמנים שנה עלתה רוחך לשמים |
[8] Viele von denen, die dich kannten und deine Verwandten werden an deinem Grab weinen. | רבים מיודעיך ומכיריך יבכו על קברך |
[9] Die Bedürftigen deines Volkes vergießen stets Tränen über deinen Tod. | אביוני עמך יזלו דמעות תמיד על מותך |
[10] Dein Gedächtnis möge auf ewig eingemeißelt sein mit eisernem und bleiernem Griffel | וזכרתך חקוק לעד בעט ברזל ועופרת |
[11] im Herz deiner ganzen Familie zum Ruhm und zur Ehre. | בלב כל בית משפחתך לשם ולתפארת |
[12] Dein Licht möge ihnen leuchten und auf ihre Häupter eine Krone setzen. | ונרך יאיר להם וישים על ראשם עטרת |
[13] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
[14] Der Name seiner Mutter war Rebekka. | שם אמו רבקה |
Anmerkung
Zeile 2: Sprüche 17,27 וקר־[יְקַר־] ר֝֗וּחַ “verständiger Mann”.
Zeile 3: Genesis 35,29; Ijob 42,17 ושבע ימים; ähnlich 1 Chronik 23,1.
Zeile 4: Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).
Zeile 5: Vgl. Babylonischer Talmud, Traktat Berachot 17a “…Heil dem, der … mit gutem Namen gestorben ist …” …אשרי…שנפטר בשם טוב; vgl. auch babylonischer Talmud, Traktat Avot II,8 “…hat er einen guten Namen erworben, hat er etwas für sich erworben” …קנה שם טוב, קנה לעצמו…. Der gute Name kommt im Gegensatz zu allen anderen geistigen und sittlichen Gütern fast ausschließlich dem Besitzer zugute und bleibt auch nach dem Tod sein Eigen (Hirsch Samson Raphael, Siddur. Israels Gebete, Zürich-Basel 1992, 443); s. auch Avot IV,7 “… Drei Kronen gibt es: die Krone der Tora, die Krone des Priestertums und die Krone des Königtums; die Krone des guten Namens aber erhebt sich über sie” … שלשה כתרים הן: כתר תורה וכתר כהונה וכתר מלכות: וכתר שם טוב עולה על גביהן.
Zeile 6: “ins Land des Lebens”. Der Hintergrund der Formulierung sind zweifellos die “Masei Baal Shem Tov” (“die Reisen des Baal Shem Tov”), Masei 1,1, wo es heißt:
ואחר כך נוסע ממסע למסע עד בואו לארץ החיים העליונה “Und danach reist er (der Mensch) von einem Ort zum anderen, bis er das himmlische Land des Lebens erreicht” (also die zukünftige Welt, die dem Land Israel entspricht).
Dahinter steht die Vorstellung des Baal Shem Tov, dass die Reisen der Israeliten, die in Numeri 33,1 erwähnt werden (אֵ֜לֶּה מַסְעֵ֣י בְנֵֽי־יִשְׂרָאֵ֗ל אֲשֶׁ֥ר יָצְא֛וּ מֵאֶ֥רֶץ מִצְרַ֖יִם לְצִבְאֹתָ֑ם בְּיַד־מֹשֶׁ֖ה וְאַהֲרֹֽן׃ “Das sind die Reisen (Wegstrecken) der Israeliten, als sie aus Ägypten unter der Führung von Mose und Aaron, nach Abteilungen geordnet, auszogen.”), insgesamt 42 Reisen sind und dem Leben jedes Menschen entsprechen, vom Moment der Geburt bis zum Tag des Todes. Das wird meist so verstanden, dass die Geburt des Menschen, also das Verlassen des Mutterleibes dem Auszug der Israeliten aus Ägypten entspricht…, siehe auch mehr Infos zu den Masei des Baal Shem Tov.
Zeile 10: Jeremia 17,1 und Ijob 19,24 בעט ברזל; und Ezechiel 27,12 בַּרְזֶל֙ בְּדִ֣יל וְעוֹפֶ֔רֶת “Eisen, Zinn und Blei”.
Zeile 11: Siehe Deuteronomium 23,19 לתהלה ולשם ולתפארת “zum Lob, zum Ruhm und zur Ehre”.
Zeile 6 horizontal und Zeile 6-12 vertikal Akrostycha: In Zeile 6 das 1. Wort horizontal und in den Zeilen 6-12 vertikal ergeben jeweils die ersten Buchstaben der Zeile und in Zeile 12 der 2. Buchstabe der Zeile den hebräischen Vornamen des Verstorbenen sowie den Vornamen seines Vaters (Jakob ben Reuven = Ruben).
Biografische Notizen
Jakob Mayer, gest. 07. Elul 651 = Donnerstag, 10. September 1891 mit 80 Jahren.
Mayer war langjähriger Geschäftspartner und Freund von Benedict Biller sowie Mitbegründer der Israelitischen Kultusgemeinde Graz.
Vater: Ruben Mayer
Mutter: Rebecca (Rivka) (Mayer)
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