Genau gegenüber dem Österreichischen Jüdischen Museum befindet sich das Haus Unterbergstraße 15. Über dem Eingangstor befindet sich ein Basrelief, das einen sehr schön gearbeiteten Krug mit Becken sowie acht hebräische Buchstaben darstellt. Die Buchstaben sind auf drei Zeilen aufgeteilt, links und rechts von Krug und Becken.
Das Symbol (Krug und Becken) zeigt an, dass der oder die Hausbesitzer bzw. die Hausbewohner (Familie Spitzer) Leviten waren, weshalb wir das Haus als (ehemaliges) Levitenhaus bezeichnen.
Ein wenig ärgerlich und beschämend für mich ist es schon, dass ich seit mittlerweile 25 Jahren fast täglich an diesem Haus vorbeigehe, unzählige Führungen durch das ehemalige jüdische Viertel von Eisenstadt gemacht habe, im Zuge derer ich jedes Mal dieses so schöne Symbol als einen der wenigen Zeugen der jüdischen Vergangenheit der Stadt erwähne … und noch immer nicht ganz sicher bin, was die Inschrift bedeutet.
1. Zeile:
ת | ק
2. Zeile:
חי | אב
3. Zeile:
כ | ל(פק)
1. Zeile: sehr gut lesbar, Befund sicher:
(Dass eine Jahreszahl vorkommt, zeigt der letzte Buchstabe in der 3. Zeile, siehe unten)
ת (Taw) hat den Zahlenwert 400, ק (Qof) den Zahlenwert 100, zusammen also 500.
2. Zeile: sehr gut lesbar, Befund unsicher:
חי hat den Zahlenwert 18, אב ist der jüdische Monat Av.
Wir würden also bisher den Monat Av im jüdischen Jahr 518 erhalten.
Allerdings bedeutet חי (Chaj), als Wort gelesen, “Leben” und אב (Av) bedeutet neben dem Monatsnamen auch “Vater”.
Ob diese Bedeutungen hier eine Rolle spielen und wenn ja, welche, wage ich nicht mit Sicherheit zu beurteilen.
3. Zeile: 1. Hälfte nicht gut lesbar, 2. Hälfte sehr gut lesbar, Befund nur zu 50% sicher:
Der erste Buchstabe dürfte ein Kaf sein und somit den Zahlenwert 20 repräsentieren.
Möglich wären noch ein פ (Pe) oder ein נ (Nun) (Zweiteres unwahrscheinlich).
Wir würden also den 20. Av des (jüdischen) Jahres 518 erhalten.
Dass hier der Tag nach dem Monat und nicht, wie meist üblich, vor dem Monat steht, möchte ich schlicht und einfach mit Platzgründen bzw. Gründen der Symmetrie erklären. In der 3. Zeile hätten zwei Buchstaben, nämlich אב (Av), kaum/nicht Platz gehabt.
Der letzte Buchstabe stellt eine typische und insbesondere auch auf hebräischen Grabinschriften oft vorkommende hebräische Ligatur dar: Die hebräischen Buchstaben לפק (L P Q) werden zusammengezogen und das ל grafisch so geschrieben, dass es das פ und das ק andeutet.
In jedem Fall zwingt der Schluss der Inschrift mit לפק (L P Q) dazu, das Vorhergehende als Jahreszahl zu lesen, denn es bedeutet (abgekürzt) “Nach der kleinen Zeitrechnung”, also ohne den 5000er zu schreiben.
Das Datum rund um Krug und Becken ist also nach dieser Lesung und Deutung der 20. Av (5)518, das ist umgerechnet Donnerstag, der 24. August 1758.
Hat vielleicht eine/r unserer geneigten Leserinnen und Leser einen besseren Vorschlag?
Als Beilage zu unserer heutigen Melange empfehlen wir die Betrachtung des wunderbaren Fensters “Der Stamm Levi” von Marc Chagall in der Synagoge des Hadassa-Hospitals in Jerusalem. Wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, nach Israel zu fahren, betrachten Sie einfach ein (sehr schönes) Bild davon im Web.
Alternativ, für die Freunde schwererer Kost, empfehlen wir als Beilage die Lektüre des Buches “Levitenhaus” von Isaac Landau (1859), das Sie als PDF-Datei (2.52 MB) downloaden können.
Aufgrund von Friedhofprojekten sind mir solch schwierige Fragen gut vertraut – und die obige Erklärung finde ich plausibel. Aber wie wäre dann der “Strich” innerhalb des כ zu erklären? Er ist noch relativ deutlich erkennbar, sieht optisch genau so aus wie die anderen Buchstabenstriche und scheint zudem an seinem linken Rand mit dem oberen Strich verbunden (gewesen) zu sein. Vielleicht doch ein פ? Dann hätten wir möglicherweise den 18. Aw 1740 – und die dritte Zeile wäre noch offen für Interpretation (der ל müsste also nicht unbedingt auf לפ״ק hindeuten, was im Übrigen a bissl seltsam erscheint, weil von der vermutlichen Jahresangabe abgekoppelt, auf die es sich ggf. bezieht).
Yoav, allerbesten Dank für die Anregung!
Als Prof. Spitzer (Bar Ilan Univ.) mit Dr. Hildesheimer im Sommer hier war, haben beide Herren auch versucht die Inschrift zu lesen. Und auch Prof. Spitzer, der ja jährlich zumindest einmal nach Eisenstadt kommt, kennt die Inschrift schon sehr lange und ist sich nicht ganz sicher. Was ich aber noch genau in Erinnerung habe, ist, dass auch Prof. Spitzer in der 3. Zeile zu einem פ tendierte!
Ich brings mit dem Foto leider nicht besser hin, kann aber mal einen Freund mit besserer Kamera und besseren Kenntnissen bitten nochmals zu fotografieren, aber bei der Ligatur am Schluss (3. Zeile) bin ich mir eigentlich ziemlich sicher. Das sieht man in natura ein wenig besser als am Foto.
Und wenn es sich beim ersten Buchstaben in der 3. Zeile um ein פ handelt, wozu du tendierst, wäre eigentlich das לפ״ק gar nicht so abekoppelt von der Jahreszahl?
Bleibt spannend …
Die Jahreszahl würde doch dann sozusagen das Monats- und Tagesdatum umschließen, ת und ק in der 1. Zeile, dann Tag und Monat, dann פ und danach das לפ״ק. Deshalb wäre dieses לפ״ק nach der Zehnerzahl der Jahresangabe, also immerhin näher als bei meiner Deutung (vorausgesetzt wir können akzeptieren, dass sich das לפ״ק auf die gesamte Jahreszahl, und nicht nur auf die Hunderderzahl bezieht).
Die Matriken haben wir durchsucht, bisher ergebnislos, und die alten Urkunden sind teilweise in den Esterházyschen Archiven auf Burg Forchtenstein – ziemlich kalt und modrig dort ;-)
schönen Abend noch, Johannes
Schabbat schalom Yoav,
sorry, schon klar, was du gemeint hast, ich hab die Datierung schlampig gelesen.
Damit hätte wir nun also 3 Lesemöglichkeiten:
Meine obige Lesung, also 20. Av 518 (1758), deine Lesung mit 18. Av 500 (1740), wobei die 3. Zeile offen bleibt und ev. noch die “Klammerlesung” mit 580 (1820), die ich aber selbst für zumindest sehr ungewöhnlich halten würde.
Bin gespannt ob wir das je festmachen können, wär schön …
Zur technischen Anregung:
Nochmals sorry, ich hab vergessen die Benachrichtigungs-E-Mail zu aktivieren, was ich jetzt aber gemacht habe. Damit sollte jeder Kommentator/jede Kommentatorin innerhalb der Threadansicht auf jeden Fall eine E-Mail erhalten.
Die generelle Benachrichtigungsmail (auch außerhalb des Kommentarthreads) überleg ich mir noch, in jedem Fall aber hast du die Möglichkeit die Kommentare allgemein, aber auch speziell nur jene zu einem Beitrag per RSS zu abonnieren. Den Link dazu findest du am Ende von jedem Beitrag, wäre also zu diesem Beitrag: https://der-transkribierer.at/2009/11/03/das-levitenhaus/feed/