Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Salomo (Salman) Stadler, 12. Kislew 655 (= Montag, 10. Dezember 1894)
Standortnummer: 213
Die Grabinschrift
[1] H(ier ist) g(eborgen) | פט |
[2] der Rabbinische und angesehene Herr, ein untadeliger, gerechter Mann, | הרבני הנגיד איש צדיק תמים, |
[3] der unsere Rabbinen verehrte, einer der Hervorragendsten | מוקיר רבנן, ממיוחדי |
[4] und Adeligen der Israeliten, die im Lande sind, | אצילי בני ישראל אשר במדינה, |
[5] ein Eckstein und festes Fundament | אבן פנה מוסד מוסד |
[6] für die Versammlungsstätten der G(ottes)fürchtigen. | למקהלות יראי ה’. |
[7] Treue Liebe, edelster Geist und nobelstes Herz | האהבה הנאמנה יקרת הרוח ונדיבות הלב |
[8] erschienen strahlend inmitten seines Hauses. D(er) w(ürdevolle) N(ame) des MORENU war | הופיעו נהרה בתוך ביתו כש”ת מו”ה |
[9] Salomo, | שלמה |
[10] der genannt wurde H(err) Salman Stadler, s(ein Andenken) m(öge bewahrt werden). | המכונה ר’ זלמן שטאדלער ז”ל |
[11] Er verstarb in der Stadt Ödenburg am 12. Kislew 655 | נפטר בעיר אדענבורג ביום י”ב כסלו תרנה, |
[12] und wurde mit großer Ehre und viel Wehklagen zu Grabe gebracht | והובל לקברות בכבוד גדול ובמספר רב |
[13] hier in der h(eiligen jüdischen) G(emeinde) E(isen)s(tadt). | פה ק”ק א”ש |
[14] Einen guten Namen erwarb er in Israel und übte Gerechtigkeit und Anständigkeit. | שם טוב קנה בישראל, פעל צדק וישר |
[15] Er bemühte sich Güte walten zu lassen, und erwarb sich Reichtum durch Recht. | לעשות חסד עמל, ועשה במשפט עושר |
[16] Einen h(eiligen) Kampf führte er mit seiner ganzen Kraft und seinem ganzen Vermögen, | מלחמות ה’ לחם בכל נפשו וכל מאודו |
[17] er hielt die Fahne des Glaubens hoch, um sich durch Pracht und Hoheit auszuzeichnen. | הרים דגל האמונה להתנוסס בהדרו והודו |
[18] Er säte den Samen des Glaubens auf die Furchen des Herzens seiner Kinder, | זרע זרע אמונה על תלמי לב בניו |
[19] damit sie die Verordnungen G(ottes) beachten und auf seinen Spuren gehen. | לשמור פקודי ה’, ולצאת בעקבותיו |
[20] Nachdem du so vieles ertragen hast, wirst du das Licht erblicken und es wird dir Genüge getan werden an einem friedlichen Ort. | מעמל נפשך תראה תשבע בנוה שאננים |
[21] Deine Seele möge ruhen im Bund des Lebens im Garten Eden. | נשמתך בצרור החיים תנוח בעדן גנים! |
[22] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | תנצבה |
Sockel
[1] Sommer & Weniger Wien. |
Anmerkungen
Zeile 2: Sprüche 28,18 הולך תמים; vgl. auch Psalm 15,2. Babylonischer Talmud, Traktat Makkot 24a setzt den makellos Wandelnden mit Abraham gleich …הולך תמים זה אברהם… mit Verweis auf Genesis 17,1 “…er (der Herr) sprach zu (Abraham):…sei rechtschaffen”.
Zeile 5: Vgl. Jesaja 28,16 “…ich lege einen Grundstein in Zion, einen harten und kostbaren Eckstein, ein Fundament, das sicher und fest ist…” …אבן בחן פנת יקרת מוסד מוסד….
Zeile 6: מקהלות v.a. aus der Liturgie (s. Gebet “Der ewig wohnt…” שוכן עד… im Morgengebet für Schabbat u.a.) bekannt.
Zeile 7: Sprüche 17,27 וקר (ק: יקר) רוח.
Zeile 8: MORENU bedeutet wörtlich “u(nser) L(ehrer), H(err)”. Den MORENU-Titel erhielten nur besonders gelehrte Männer, Bernhard Wachstein bezeichnet ihn als “synagogaler Doktortitel” (siehe Bernhard Wachstein, Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540 (?)-1670, 2. Teil 1696-1783, Wien 1912, 2. Teil, S. 15).
Zeile 11: Ödenburg ist der deutsche Namen für (ung.) Sopron.
Zeile 13: Vgl. Babylonischer Talmud, Traktat Berachot 9b u.a. “…im Namen der heiligen Gemeinde zu Jerusalem…” …משום קהלא קדישא דבירושלים….
Zeile 14: Babylonischer Talmud, Traktat Avot II,8 קנה שם טוב “…hat er einen guten Namen erworben, hat er etwas für sich erworben”. Der gute Name kommt im Gegensatz zu allen anderen geistigen und sittlichen Gütern fast ausschließlich dem Besitzer zugute und bleibt auch nach dem Tod sein eigen (Hirsch Samson Raphael, Siddur. Israels Gebete, Zürich-Basel 1992, 443); s. auch Avot IV, 7 “… Drei Kronen gibt es: die Krone der Tora, die Krone des Priestertums und die Krone des Königtums; die Krone des guten Namens aber erhebt sich über sie” … שלשה כתרים הן: כתר תורה וכתר כהונה וכתר מלכות: וכתר שם טוב עולה על גביהן.
Zeile 15: Vgl. Jeremia 17,11 “…so ist ein Mensch, der Reichtum durch Unrecht erwirbt…” …עשה עשר ולא במשפט….
Zeile 16: Wörtl.: “einen Krieg G(ottes)”.
Zeile 17: Zum Wort התנוסס. S. bes. Psalm 60,6: “Für alle, die dich fürchten, hast du ein Zeichen aufgestellt, zu dem sie fliehen können…” (so die Einheitsübersetzung). Buber-Rosenzweig: “…den dich Fürchtenden gabst du ein Bannerzeichen, dass es sich abzeichne vor der Redlichkeit her” נתתה ליראיך נס להתנוסס…. S. bes. Kommentare zur Stelle, denen die Übersetzung von Buber-Rosenzweig wohl am nächsten kommt.
Zeile 18: Genesis 1,29 זרע זרע.
Zeile 20: Jesaja 53,11 מעמל נפשו יראה ישבע.
Jesaja 33,20 “…(deine Augen werden Jerusalem sehen), den friedlichen Ort…” …נוה שאנן….
Zeile 21: “Eden” wird als Aufenthaltsort der verschiedenen Seele verstanden, später als Wohnort der Seligen, aber auch als vollkommenster Ausdruck der Belohnung (s. Zunz L., Zur Geschichte und Literatur, Berlin 1845, 341ff).
Zeile 14-21: Akrostichon: Die Anfangsbuchstaben ergeben die hebräischen Vornamen des Verstorbenen (Salomo Salman).
Biografische Notizen
Salomon Stadler mit Ehefrau Karoline
und den Söhnen Isidor und Sigmund
Quelle: Wolf E., Die Familie Wolf, Wien 1924, 85
Salomo (Salman) Stadler, Kaufmann; geb. Dezember 1826 in Szombathely; zu seinen Vorfahren zählten der berühmte Hohe Rabbi Löw (ca. 1520 – 1609, seit 1573 Rabbiner von Prag) und Menachem Mendel Krochmal (1600 – 1661), Landesrabbiner von Mähren und Verfasser des Responsenwerkes “Zemach Zedek”. Krochmal war auch Mitbegründer der ungarischen Orthodoxie und Mitglied der ungarischen orthodoxen Landeskanzlei. Auf Salomo Stadler geht die Gründung der Firma Isak Stadler’s Söhne in Szombathely zurück; wh: Eisenstadt, Permayerstraße 312.
Vater: Isak Stadler
Mutter: Juli/y Stadler
Bruder: Károly (Karl) Stadler, gest. 05. April 1896 in Szombathely
Ehefrau: K/Caroline (Lea) Wolf, geh. 26. Juli 1858 in Eisenstadt, gest. 10. März 1900. Salomon war bei der Hochzeit 30 Jahre, Caroline 18 Jahre alt.
Söhne:
Isidor Stadler, geb. 09. Oktober 1861 in Szombathely, Realschule Frankfurt/Main, 1874 bis 1882 in Frankfurt/Main, Wien und Triest), vormals Mitglied der Komitats-Kongregation Eisenburg, Gemeinderat der Stadt Szombathely, Kaufmann, Börsenrat, Direktionsrat der Filiale der Banca Ungaro-Italiana, geh. 30. September 1895, wh: Szombathely, Wesselényi-ut. 16
Sigmund Stadler, geb. 29. November 1863 in Szombathely, Handelsschule, Kaufmann in Szombathely, geh. 15. September 1897, gest. 01. Mai 1918 in Budapest,
Dr. Franz Stadler, geb. 04. September 1877 in Szombathely, Handelsakademie Pressburg, Oberrealschule Sopron, Technische Hochschule München und Charlottenburg, Univ. Berlin, Basel, Münster i.W. (phil. Fakultät), Publikationen: “Hans Multscher und seine Werkstatt” 1908, “Michael Wolgemut und die Nürnberger Holzscnitte des 15. Jahrhunderts, 1913, Kriegsdienst, Hauptmann der Reserve, Divisionsartilleriereferent. Mitglied des Deutschen Vereines für Kunstwissenschaft, geh. 21. Juli 1913, Privatdozent der Kunstgeschichte an der Universität Zürich, wh: München, Lessingstraße 4/II,
Dr. Wilhelm Stadler, geb. 25. Februar 1880 in Szombathely, Universität Leipzig, Zürich, Berlin (phil. Fakultät, Chemie), geh. 25. Februar 1914, Kriegsdienst, Oblt der Reserve, Kriegsgefangener (Sibirien), Chemiker in Perchtoldsdorf, Wiener Straße 47
Tochter:
Jenny Stadler, geb. 26. Mai 1870
Material und Maße des Grabsteins
Gabbro, 240/90/47
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