Personenregister jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt
Samuel Schneider, 16. Ijjar 688 (= Schabbat, 05. Mai 1928)
Standortnummer: 325
Foto August 2017
Die Grabinschrift
[1] H(ier liegt) b(egraben) | פ”נ |
[2] ein alter Mann und Greis, ehrwürdig und angesehen. | שב וישיש זקן ונשוא פנים |
[3] Seine Geschäfte verrichtete er redlich und mit großer Kraft. | משאו ומתנו באמונה ורב אונים |
[4] Auch befasste er sich mit den Angelegenheiten der Öffentlichkeit einige Jahre. | וגם עסק בצרכי ציבור כמה שנים |
[5] Vor seinen Schöpfer trat er mit Gebet und Flehen. | את פני יוצרו קדם בתפלה ותחנונים |
[6] Im Guten wird sein Name im Gedächtnis behalten werden unter denen, die Treue bewahren. | לטוב יזכר שמו בין שומרי אמונים |
[7] D(er löbliche) H(err), der Edle und Angesehene, ein Gerechter mit untadeligem Lebenswandel. | ה”ה היקר והנכבד ישר הולך תמים |
[8] D(er würdevolle) N(ame) d(es ehrenhaften) H(errn) war Samuel Schneider, a(uf ihm sei) F(riede), | כ”ש כ”ה שמואל שניידער ע”ה |
[9] Sohn des Erhabenen, d(es ehrenhaften) H(errn) Kalman, a(uf ihm sei) F(riede). | בן המרומם כ”ה קלמן ע”ה |
[10] Er verstarb in gutem Ruf mit 82 Jahren | נפטר בשם טוב בן פ”ב שנים |
[11] am 16. Ijjar 688 n(ach der) k(leinen) Z(eitrechnung). | ביום ט”ז אייר תרפ”ח לפ”ק |
[12] Der Name seiner Mutter war Ginendel. | ושם אמו גינענדל |
[13] S(eine) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). | ’ת’נ’צ’ב’ה |
Anmerkungen
August 2017: Der Grabstein ist zwischen 1996 und 2015 vom Sockel gebrochen und liegt relativ weit gestreut zwischen Reihe 3 und 4. Wir werden in den nächsten Wochen versuchen, den Grabstein auf seinem Standort sicherer zu legen, vielleicht sogar behelfsmäßig aufzustellen. Foto-Update folgt.
Zeile 2: Vgl. Ijob 15,10 “Auch unter uns sind Alte, sind Greise…” גם שב גם ישיש בנו….
Jesaja 9,14 זקן ונשוא פנים.
Zeile 3: Vgl. babylonischer Talmud, Traktat Schabbat 31a “In der Stunde, wenn man einen Menschen zum Gericht bringt, fragt man ihn: ‘Hast du deinen Handel in Redlichkeit betrieben’?…” בשעה שמכניסין אדם לדין אומרים לו נשאת ונתת באמונה…. Es “… ist dies die erste Frage, die an den Menschen im Jenseits gerichtet wird.”
(Wachstein B., Die Inschriften des Alten Judenfriedhofes in Wien, 1. Teil 1540(?)-1670, Quellen zur Geschichte der Juden in Deutsch-Österreich, hrsg. von der historischen Kommission der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, IV, Wien 1912, Seite 128)
Zeile 4: Tosefta, Traktat Brachot I,4; vgl. II,6 שעוסקין בצרכי צבור u.a. Der Vers deutet auf ein öffentliches Amt in der Gemeinde hin und findet sich fast ausschließlich auf Grabinschriften der dritten und vierten Reihe, also auf Grabsteinen von herausragenden Gelehrten, die in der Gemeindehierarchie unmittelbar hinter den (Ober-)Rabbinern und Rabbinatsassessoren kamen.
Zeile 5: Vgl. Daniel 9,3 “…um ihn mit Gebet und Flehen…zu bitten …לבקש תפלה ותחנונים….
Zeile 6: Vgl. Jes 26,2 “…(ein Volk), das (dem Herrn) Treue bewahrt” …שמר אמנים.
Zeilen 2-6: Akrostichon: Die Anfangsbuchstaben ergeben den Vornamen des Verstorbenen (Samuel).
Zeile 7: Sprüche 28,18 הולך תמים; vgl. auch Psalm 15,2. Babylonischer Talmud, Traktat Makkot setzt den makellos Wandelnden mit Abraham gleich …הולך תמים זה אברהם … mit Verweis auf Genesis 17,1 “…er (der Herr) sprach zu ihm (Abraham): … sei rechtschaffen” …ויאמר אליו…והיה תמים.
Zeile 10: Vgl. Babylonischer Talmud, Traktat Berachot 17a “…Heil dem, der … mit gutem Namen gestorben ist …” …אשרי…שנפטר בשם טוב; vgl. auch babylonischer Talmud, Traktat Avot II,8 “…hat er einen guten Namen erworben, hat er etwas für sich erworben” …קנה שם טוב, קנה לעצמו…. Der gute Name kommt im Gegensatz zu allen anderen geistigen und sittlichen Gütern fast ausschließlich dem Besitzer zugute und bleibt auch nach dem Tod sein eigen (Hirsch Samson Raphael, Siddur. Israels Gebete, Zürich-Basel 1992, 443); s. auch Avot IV, 7 “… Drei Kronen gibt es: die Krone der Tora, die Krone des Priestertums und die Krone des Königtums; die Krone des guten Namens aber erhebt sich über sie” … שלשה כתרים הן: כתר תורה וכתר כהונה וכתר מלכות: וכתר שם טוב עולה על גביהן.
Biografische Notizen
Samuel Schneider, Kaufmann, geb. 29. August 1847 in Eisenstadt, gest. mit 81 Jahren (Matriken: 80 Jahre, hebräische Grabinschrift: 82 Jahre) am 05. Mai 1928 um 22 Uhr (das war schon der 16. Ijjar, aber noch der 05. Mai) an Herzlähmung in Eisenstadt.
Vater: Karl (Kalonymus) Schneider, gest. 08. Juni 1911
Mutter: Anna (Ginendel / Netti) Schneider, geb. Austerlitz, gest. 15. Jänner 1906
Schwestern:
Charlotte Breuer, geb. Schneider, geb. 30. Mai 1851, Geburts- und Wohnort: Eisenstadt, geh. 06. Jänner 1875 in Eisenstadt Samu / Samuel (Salman) Breier / Breyer / Breuer / Bräuer, gest. 09. Dezember 1887
Pauline Schneider, geb. 09. Juni 1865 (Mutter: Betti (sic!))
Brüder:
Sigmund (Paltiel) Schneider, gest. 08. Oktober 1916
Bernard/Beno (Baruch Michael) Schneider, gest. 20. Mai 1937
Ehefrau: Hermine Ditrichstein, geb. 16. November 1856 in Körmend, wh.: Eisenstadt, Tochter des Jakob Ditrichstein und der Rosa (Rachel) Mitzger, geh. 1877 (Tag- und Monatsdatum nicht eingetragen, s.u. Trauungsmatriken). Samuel war bei der Hochzeit 28 Jahre (lt. Matriken; er war 30 Jahre alt!), Hermine 18 Jahre alt.
Hermine wird als “Helene” geboren, am 12. November 1866 wird “Hermine recte Johanna” geboren. Zum Problem “Helene vs. Hermine” siehe Exkurs bei Jakob Dietrichstein.
Tochter:
Theres(ia) Schneider, geb. 09. Dezember 1879 in Eisenstadt 27, geh. 19. August 1902 Alfred Singer, geb. 16. Mai 1874 in Györ, Sohn des Moritz / Mor Singer und der Katarina / Katalin Braun
Söhne:
David Schneider, geb. 02. August 1878 in Eisenstadt 22
Sigfried Schneider, geb. 16. August 1881 in Eisenstadt
Jenö (Josef Wolf) Schneider, geb. 04. Jänner 1884 in Unterberg-Eisenstadt 27
Moritz Schneider, geb. 31. August 1886 in Eisenstadt 3
Material und Maße des Grabsteins
Gabbro, 200/65/45
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