Hebräisch – vor Ort und mit allen Sinnen

Hebräisch – vor Ort und mit allen Sinnen

Schon zum zweiten Mal kamen 7 Interessierte aus Salzburg, Kärnten und Bayern nach Eisenstadt zum fortgeschrittenen Hebräischkurs. So wie vergangenes Jahr wollten wir auch heuer das sonst übliche “Klassenzimmer” verlassen und Gelerntes in der Praxis, vor Ort, anwenden und vertiefen. Dass es dabei nicht “nur” um Grammatik, Vokabeln und Syntax ging, muss nicht extra erwähnt werden. ;-)

Frauenkirchen

Gleich am 1. Tag fuhren wir nach einem Kurzbesuch am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt in die ehemalige jüdische Gemeinde Frauenkirchen. Herr Franz Wegleitner, ehemaliger Lehrer, der sich seit vielen Jahren in zahlreichen Projekten rund um die Geschichte der Juden Frauenkirchens engagiert und verdient macht, nahm sich viel Zeit, um uns faszinierende Geschichten zu einzelnen Gräbern des in der Shoa nicht zerstörten jüdischen Friedhofs zu erzählen. Nach dem Friedhof besichtigten wir mit ihm noch den “Garten der Erinnerung” am Standort der ehemaligen Synagoge, der am 29. Mai feierlich eröffnet wird.

  • Herr Wegleitner führt uns am jüdischen Friedhof Frauenkirchen
  • Jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Die ältesten Grabsteine am jüdischen Friedhof Frauenkirchen
  • Grabstein Hindel Neufeld, 1910, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Völlig erodierter Grabstein am jüdischen Friedhof Frauenkirchen
  • Durch Erosion sind nur mehr Einleitungsformel und Schlusseulogie lesbar, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Grabstein Rela Steiner, 1937, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Grabstein Elijahu Zvi, 1917, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Grabstein Mose (August) Goldstein, 1901, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Sehr schöner, aber leider stark erodierter Grabstein, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Grabstein Chaja Sara, Tochter vom Schalom ...,  1820, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Grabstein Gütel Kastner, 1927, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Völlig erodierter Grabstein am jüdischen Friedhof Frauenkirchen
  • Grabstein Sarl Deutsch, 1935, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Grabstein Sarl Deutsch, 1935, jüdischer Friedhof Frauenkirchen
  • Standort der ehemaligen Synagoge, 'Garten der Erinnerung'
  • Standort der ehemaligen Synagoge, 'Garten der Erinnerung'
  • Standort der ehemaligen Synagoge, 'Garten der Erinnerung'
 

Kittsee

Am Nachmittag fuhren wir in die ehemals nördlichste der “sieben heiligen jüdischen Gemeinden” auf esterházyschem Grundbesitz, nach Kittsee. Frau Direktor Irmgard Jurkovich erwartete uns schon auf dem im Schatten des Kittseer Schlosses gelegenen jüdischen Friedhof mit seinen 230 Gräbern. Frau Jurkovich beschäftigte sich schon in ihrer Zeit als Leiterin der örtlichen Hauptschule jahrzehntelang intensiv mit der jüdischen Geschichte von Kittsee, ihr enormes Wissen und ihr Engagement beeindruckte uns alle in höchstem Maße.

  • Irmgard Jurkovich führt uns am jüdischen Friedhof Kittsee
  • Der jüdische Friedhof Kittsee im Schatten des Schlosses
  • Jüdischer Friedhof Kittsee
  • Heute sind nur mehr wenige Grabsteine (einigermaßen) gut lesbar, jüdischer Friedhof Kittsee
  • Heute sind nur mehr wenige Grabsteine (einigermaßen) gut lesbar, jüdischer Friedhof Kittsee
  • Jüdischer Friedhof Kittsee
  • Völlig erodierter Grabstein, jüdischer Friedhof Kittsee
  • So gut wie nicht mehr lesbare Inschrift, jüdischer Friedhof Kittsee
  • Grabstein des vorletzten Rabbiners von Kittsee, Meir Abeles, 1887, jüdischer Friedhof Kittsee
 

Wien Zentralfriedhof

Am Freitag verließen wir das Burgenland und machten uns auf den Weg nach Wien. Die jüdischen Abteilungen auf dem Zentralfriedhof Tor IV und Tor I an einem Tag waren ein ambitioniertes Vorhaben. Eine der bekanntesten und besten Genealoginnen, Traude Triebel, erklärte die Bedeutung von Grabinschriften, besonders auch von hebräischen, für die genealogische Arbeit. Nach dem Besuch des Grabes Paul Rosenfeld aus Frauenkirchen und der “herrenlosen” (sic!) exhumierten Gräber von Döbling auf Tor IV wechselten wir am Nachmittag in die jüdische Abteilung von Tor I, laut Eigenaussage eine Art Zweitwohnsitz von Traude Triebel ;-), die hier auch gleich ihre eigene Familie besuchen konnte. Auf beiden Toren liegen etwa 150.000 Menschen begraben.
Selbstredend, dass die prachtvollen Mausoleen auf Tor 1 fast eine Art Kontrastprogramm zu den orthodoxen burgenländischen Grabstätten des Vortages bildeten:

Markus Engel, ein Sohn des Handelsmanns in Bonyhad Aron Engel, kam um 1860 nach Wien und begründete hier zusammen mit Wilhelm Weiss unter der Firma M. Engel & Weiss ein Exporthaus. Aus diesem erwuchs das Bank- und Wechselhaus Marcus Engel in Wien I., Schottenring 32, durch das Markus Engel zu großem Reichtum kam. Sein monumentales Mausoleum auf dem Zentralfriedhof in Wien ist eines der größten Grabdenkmäler auf diesem Friedhof (siehe unten Bilder 3. Reihe).

Gaugusch Georg, Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938, A-K, Wien 2011, 534.

Besonders faszinierend war die sefardische Abteilung bei Tor 1. Im Wien des 19. Jahrhunderts gab es eine bedeutende sefardische Gemeinde. Die frühesten Namen sind bekannt: Camondo, Nissim, Eskenasy, Amar, De Mayo usw. Interessant, dass wir in den Geburts- und Heiratsmatriken zwischen 1845 und 1938 gerademal 10.000 Personen finden.
Für uns, wir machen diese Touren schließlich im Rahmen eines Hebräischkurses für Fortgeschrittene, war natürlich auch interessant, dass wir offensichtlich in Wien nur auf den sefardischen Gräbern als Einleitungsformel der hebräischen Grabinschriften מצ’ק finden. Gesehen hab ich das bisher nur am jüdischen Friedhof in Triest. In Deutschland finden sich etwas mehr als 50 Belege dafür, und diese mit wenigen Ausnahmen alle auf dem jüdischen Friedhof Hamburg-Altona. Dort jedoch nie als Abbreviatur, sondern immer ausgeschrieben: מצבת קבורת.

  • Grab von Paul Rosenfeld aus Frauenkirchen, 2003, Zentralfriedhof Wien, Tor 4
  • Mit Genealogin Traude Triebel vor den 'herrenlosen' exhumierten Gräbern aus Döbling, Zentralfriedhof Wien, Tor 4
  • Ehrengräbergruppe: Gerhard Bronner, Friedrich Efraim Torberg, Arthur Schnitzler, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Grab von Oskar Schiller aus Eisenstadt, 2005, Zentralfriedhof Wien, Tor 4
  • Eines der wenigen Gräber mit ausschließlich hebräischer Grabinschrift bei Tor 4: Antonia Händler, 2002, Zentralfriedhof Wien
  • Grab von Dr. Bernhard Wachstein, 1935, Bibliothekar der Isr. Kultusgemeinde Wien, Zentralfriedhof Wien, Tor 4
  • Grab von R. Aharon Jedhua Halevi, 30 Jahre Rabbiner der Synagoge Favoriten, November 1929, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Mausoleum Marcus Engel, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Traurig: Fast alle Kupferrosetten gestohlen: Grab von Ludwig v. Pollak, 2005, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Grab von Jonas Kraemer, 1905, mit Freimaurersymbol, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Grab von Josef ben MORENU Jehuda Arje Pressburger, 1901, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Sefardische Abteilung: Helene Russo, 1899, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Sefardische Abteilung: Abraham Leon Cohen, 1894, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Sefardische Abteilung: Brüder Schlomo David Asriel und Schmuel David Asriel, Helene Asriel, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Sefardische Abteilung: Grab von Isak Semo, 1907, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Sefardische Abteilung: Grab von Camilla de Majo, 1924, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Sefardische Abteilung: Grab von Julie Baruch aus der türkischen Gemeinde Wien, 1899, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Beachtenswertes Gedicht am Grabstein von Sidonie Grünwald-Zerkowitz, 1907, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • 1945 durch Fliegerbomben zerstörtes Mausoleum von Moriz Benedikt, 1849-1920, Herausgeber und Chefredakteur der Neuen Freien Presse, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Gedenktafel für tausende nicht zuordenbare Grabsteinfragmente an der Mauer, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
  • Tausende nicht zuordenbare Grabsteinfragmente an der Mauer, Zentralfriedhof Wien, Tor 1
 

Ich kann mich nur wiederholen: Ich bewundere jede/n einzelne/n KursteilnehmerIn für seine/ihre große Leidenschaft für die hebräische Sprache. Und ich freue mich wirklich ganz besonders, dass der Termin für nächstes Jahr gleich vereinbart wurde! :-)

 

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