Fast auf den Tag genau, nach 8 Monaten und pünktlich zu Rosch ha-Schana 5776, konnten wir den ersten Teil, nämlich die digitale Edition, unseres großen Friedhofsprojekts
“Hier liegt geborgen …”
Digitale und physische Dokumentation der 1.082 Grabsteine des älteren jüdischen Friedhofs in Eisenstadt.
fertigstellen.
Nun arbeiten wir mit Hochdruck am zweiten Teil, der das Projekt zu einem besondern und österreich- bzw. europaweit (weltweit?) einzigartigen macht, nämlich die zusätzliche komplette physische Dokumentation des Friedhofes!
Wir dürfen es schon verraten: Jeder der 1.082 Grabsteine erhält ein witterungsbeständiges Plättchen, auf dem zur schnellen Orientierung der Standort des Grabsteines zu finden ist (z.B. G-19) sowie einen QR-Code, der auf die spezifische URL des Grabsteines führt. Dort finden Sie dann neben Foto und zeilengerechter Abschrift der Inschrift auch biografische Notizen und Links zu den ebenfalls am älteren Friedhof begrabenen nächsten Angehörigen.
Präsentiert wird das Projekt am Sonntag, 8. November um 11 Uhr. Wir laden dazu noch extra ein, please save the date!
Selbstverständlich haben wir das Projekt nicht nur mit dem Grabstein des berühmtesten Rabbiners des Burgenlandes und auch eines der brühmtesten in Österreich, Rabbi Meir Eisenstadt, begonnen, sondern wollen das Projekt auch mit einem “Paukenschlag” beenden: Mit dem ältesten jüdischen Grabstein des Burgenlandes – jenem von Hirz Kamen, gestorben 1679:
Der erste Name, der uns von der wiederentstandenen Gemeinde Kunde gibt, ist auch der eines ihrer vornehmsten Gründer. Hirz Kamen wurde in Frankfurt a.M. als der Sohn des dortselbst 1652 als Vorsteher verstorbenen Abraham Kamen geboren. Er zählte sich … zu den Nachkommen des Gelehrten und Synagogendichters Akiba Frankfurter, der ebenso durch seine schriftstellerischen Hervorbringungen wie durch seine schöpferische Tätigkeit auf charitativem Gebiete einen Namen erworben hatte. In den sechiziger Jahren des 17. Jahrhunderts treffen wir Hirz Kamen in Wien an, wo er im Rabbinats-Kollegium des … bekannten Gelehrten Gerson Aschkenasi als Beisitzer wirkte. Seine rabbinische Tätigkeit fand jedoch durch die über die Wiener Judenschaft im Jahre 1670 hereingebrochene Katastrophe ein jähes Ende. Im Unglücksjahre fiel ihm … auch die Aufgabe zu, an allen Schritten zur Abwendung der Katastrophe tätigen Anteil zu nehmen. Als die Wiener Judengemeinde nach allen Richtungen zerstob, ging Kamen mit einem Teile der Exulanten nach Nikolsburg in der Hoffnung, von dort aus die Wiederkehr nach Wien zu erwirken. Auch in Nikolsburg sehen wir ihn unter den Vertretern der aus Wien Vertriebenen.
Fünf Jahre lang dauerte das Hoffen und Bangen. Schon glaubten sie sich am Ziele, das alte Gemeindewesen, wenn auch in verkleinertem Maße und unter drückenden Bedingungen aufrichten zu könnten. Der Kompromiss zur Wiedereinlassung der Juden nach Wien wurde von den Führern, unter denen unser Hirz an zweiter Stelle erscheint, am 13. März 1675 in Nikolsburg unterschrieben, aber der Erfolg blieb auch diesmal aus und die Verhandlungen verliefen resultatlos. Nun blieb den Wienern nichts anderes über, als entweder die Fürst Dietrichsteinsche Untertanenschaft anzustreben oder eine neue Heimat ausfindig zu machen. Ein Teil blieb denn auch in Nikolsburg oder in den angrenzenden mährischen Gemeinden, ein anderer Teil, der aus ideellen oder wirtschaftlichen Gründen in das Nikolsburger Gemeindewesen sich nicht einfinden konnte, begründete die neue Gemeinde in Eisenstadt, deren alte wohl von demselben Schicksal wie die von Wien 1670 betroffen wurde. Dass Kamen in dem wahrscheinlich winzigen Gemeinwesen eine passende berufliche Stellung gefunden habe, ist nicht anzunehmen. Sowohl in seiner eigenen Grabschrift wie in denen seiner Kinder wird er als einstiges Mitglied des Wiener Rabbinats bezeichnet. Man begreift, dass diese gewesene Würde noch immer für den Träger und das Geschlecht mehr Glanz hatte als ein selbständiges Rabbinat in der kleinen Landgemeinde. Aber immerhin würde diese Tätigkeit eine Erwähnung gefunden haben, zumal in der nachfolgenden Zeit, wo Männer von Namen in der indes angewachsenen Gemeinde das Rabbinat bekleideten. Damit soll jedoch nicht behauptet werden, dass neben dem angesehenen und gelehrten Manne ein anderer die geistliche Führung hatte. Das Gemeindewesen war eben in seinen Anfängen, so dass die Rabbinatsagenden von einem Mitgliede der Gemeinde im Ehrenamte versehen werden konnten. Nur eine kurze Spanne Zeit war es Hirz Kamen vergönnt, an der Ausgestaltung der neuen Heimat zu wirken. Sein Geschlecht glühte jedoch bis in die neuere Zeit in Eisenstadt fort.
Wachstein B., Die Grabinschriften …, a.a.O., 1f (leicht gekürzt)