Die Geheimnisse des höchsten Berges

Die Geheimnisse des höchsten Berges

Am Geschriebenstein, der mit 884m höchste Berg des Burgenlandes und Westungarns liegt nördlich der heute südburgenländischen, ehemals batthyánischen jüdischen Gemeinde Rechnitz. So bezeichnet auch der Name “Geschriebenstein” die “niedergeschriebene” Grenze zwischen den Esterházys im Nord- und den Batthyánis im Südburgenland.

Rund um diesen Berg ist immer viel los, zahlreiche sportliche und gesellschaftliche Veranstaltungen, ob die 55 Kilometer der Roas” Ende August oder der Gipfelsturm“, eine Sternwanderung mit dem Abenteurer und Extrembergsteiger Hans Goger im Juni, bringen hunderte Interessierte in die Gegend.

Aber es gab auch eine Zeit, in der nicht Weitwanderer und Läufer:innen über den Geschriebenstein wanderten und liefen. Vor rund 120 Jahren lebten in dieser Gegend 4.000 Jüdinnen und Juden, ein halbes Jahrhundert davor etwa 8.000.

Im Süden des Geschriebenstein liegt die ehemalige jüdische Gemeinde Rechnitz, im Norden Lockenhaus, ein Ort, in dem seit 2019 mit Schalom Lockenhaus” die Geschichte der Jüdinnen und Juden aufgearbeitet wird. Der Dank für ihren unermüdlichen Einsatz gebührt Ruth Patzelt!

Ohne Zweifel sind jüdische Händler über den Geschriebenstein vom Süden in den Norden (und umgekehrt) gekommen und wohl auch weiter als nach Lockenhaus gewandert. Selbstverständlich führte ein Haupthandelsweg von der südlichsten batthyánischen jüdischen Gemeinde Nagykanizsa, das im heutigen Ungarn liegt, nach Eisenstadt und von dort nach Ödenburg (Sopron) und Wien über den Geschriebenstein.

Bei einer dieser Wanderungen hat offensichtlich ein Händler sein Firmensiegel am Berg verloren, das vor Kurzem gefunden wurde. Ich hatte die Feude, die nicht mehr gut lesbare Inschrift entschlüsseln zu dürfen:

חיים ב”ה הרשל נפ
Chajim, Sohn des Herrn Hirschl NF

Das “NF” am Schluss der Inschrift ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als “Neufeld” aufzulösen.

In der Mitte des Siegels ist eindeutig ein Symbol zu erkennen, wohl ein Firmensymbol, das ich aber nicht zu deuten vermag (mir liegen auch nur die Fotos vor und nicht das Original).

Nach dem beschwerlichen Aufstieg haben sicher viele oben an der Spitze Rast gemacht. Dabei Dinge vergessen oder verloren. Vielleicht finden sich noch andere am Berg vergessene jüdische Objekte.

30 Kilometer nördlich vom Geschriebenstein liegen die esterházyschen Gemeinden des heutigen Mittelburgenlandes Kobersdorf, Lackenbach und Deutschkreutz, weitere 45 Kilometer nördlich Mattersdorf/-burg und noch ein paar Kilometer weiter das Zentrum der ehemaligen “Sieben-Gemeinden”, Eisenstadt. Nahezu in jeder dieser ehemaligen jüdischen Gemeinden finden wir Familien mit dem Namen Neufeld. Unter den wenigen vorhandenen Grabsteinen von Mattersburg “Neufeld” dreimal, in Lackenbach insgesamt achtmal (davon ist einer online) und in Eisenstadt immerhin 24-mal “Neufeld”.

Und dann gibt es noch diesen Eintrag des Beschneidungsbuches aus Lackenbach. Vielleicht handelt es sich um den Großvater unseres Händlers, der sein Firmensiegel am Geschriebenstein verloren hat.

Eintrag im Beschneidungsbuch Lackenbach aus dem Jahr 1913: Herschl Neufeld, Sohn von Chaim
Eintrag im Beschneidungsbuch Lackenbach aus dem Jahr 1913: Herschl Neufeld, Sohn von Chaim
 

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