Chaja, Tochter Jakob – 25. November 1785

Chaja, Tochter Jakob – 25. November 1785

Personenregister neuer jüdischer Friedhof Nikolai (Mikołów)

 

Der Grabstein befindet sich am neuen jüdischen Friedhof Nikolai (Mikołów), Polen. Das Foto wurde mir vom Nikolaier Geschichtsverband (Mikołowskie Towarzystwo Historyczne) zur Verfügung gestellt, der auch alle Rechte am Foto hat.

Chaja, Tochter Jakob, 23. Kislew 546 (= Freitag, 25. November 1785)

Grabstein Chaja, Tochter Jakob, 23. Kislew 546 = Freitag, 25. November 1785, Copyright: Piotr Grodecki, Geschichtsverband Nikolai
Grabstein Chaja, Tochter Jakob, 23. Kislew 546 = Freitag, 25. November 1785, Copyright: Piotr Grodecki, Geschichtsverband Nikolai

 

Die hebräische Grabinschrift

Inschrift Chaja Tochter Jakob 1785: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] Hier liegt begraben פ”נ
[2] {Zwei Löwen} {שני אריות}
[3] die angesehene Frau, die Bescheide(ne) האשה החשובה הצנוע[’]
[4] und die Gütige, eine tüchtige Ehefrau, Frau והחסודה אשת חיל מרת
[5] Chaj(a), Tochter d(es) H(errn), H(errn) Jakob, d(as Andenken) d(es Gerechten) s(ei zum Segen), חי”י בת הרר יעקב זצל
[6] die in ihre Welt ging und begraben wurde שהולכה לעולמה ונקברה
[7] mit gutem Namen am 23. Kislew des Jah(res) בשם טוב כ”ג כיסלו ש’נ
[8] 546 n(ach der kleinen Zeitrechnung). I(hre) S(eele) m(öge eingebunden sein) i(m Bund) d(es Lebens). ת”ק”מ”ו” ל ת”נ”צ”ב”ה”
 

Anmerkungen

Zeile 1: Die Einleitungsformel wird im Hebräischen meist abgekürzt: פ”נ = פה נקבר “Hier liegt begraben”.

Zeile 2: Zum Symbol des Löwen siehe v.a. den Jakobssegen (Chaja war die Tochter Jakobs!) in Genesis 49,9: גּ֤וּר אַרְיֵה֙ יְהוּדָ֔ה מִטֶּ֖רֶף בְּנִ֣י עָלִ֑יתָ כָּרַ֨ע רָבַ֧ץ כְּאַרְיֵ֛ה וּכְלָבִ֖יא מִ֥י יְקִימֶֽנּוּ׃ “Ein junger Löwe ist Juda. Vom Raub, mein Sohn, stiegst du auf. Er kauert, liegt da wie ein Löwe, wie eine Löwin. Wer bringt sie zum Aufstehen?”. Daher ist der Löwe das Wappentier Jehudas und wir finden ihn auch oft auf Grabsteinen von Verstorbenen mit dem Namen “Jehuda”, “Arje” oder “Löw”. Wohl schwingt hier auch Pirke Avot (Sprüche der Väter) mit, wo es in 5,20 heißt: יְהוּדָה בֶן תֵּימָא אוֹמֵר, הֱוֵי עַז כַּנָּמֵר, וְקַל כַּנֶּשֶׁר, וְרָץ כַּצְּבִי, וְגִבּוֹר כָּאֲרִי, לַעֲשׂוֹת רְצוֹן אָבִיךָ שֶׁבַּשָּׁמָיִם. “Jehuda, Sohn Temas, spricht: ‘Sei mutig wie der Leopard, leicht wie der Adler, schnell wie der Hirsch und stark wie der Löwe, den Willen deines Vaters im Himmel zu vollziehen’.” Es soll mit den Löwen wohl auch auf die Bedeutung der Familie hingewiesen werden.

Zeile 5: Die hebräische Abkürzung הרר wird aufgelöst in הרב רבי “der Herr, Herr”.

Die hebräische Abkürzung des Segenswunsches nach dem Namen des Verstorbenen זצל wird aufgelöst in זכר צדיק לברכהי “das Andenken des Gerechten sei zum Segen” und wird vor allem bei gelehrteren Personen verwendet (im Vergleich zu זל, aufgelöst in זכרונו לברכה “sein Andenken sei zum Segen”).

Zeile 7: Vgl. Babylonischer Talmud, Traktat Berachot 17a “…Heil dem, der…mit gutem Namen gestorben ist…” ‎…אשרי…שנפטר בשם טוב; vgl. auch babylonischer Talmud, Traktat Avot II,8 “…hat er einen guten Namen erworben, hat er etwas für sich erworben” …קנה שם טוב, קנה לעצמו…. Der gute Name kommt im Gegensatz zu allen anderen geistigen und sittlichen Gütern fast ausschließlich dem Besitzer zugute und bleibt auch nach dem Tod sein eigen (Hirsch Samson Raphael, Siddur. Israels Gebete, Zürich-Basel 1992, 443); s. auch Avot IV, 7 “… Drei Kronen gibt es: die Krone der Tora, die Krone des Priestertums und die Krone des Königtums; die Krone des guten Namens aber erhebt sich über sie” ‎‏‏ … שלשה כתרים הן: כתר תורה וכתר כהונה וכתר מלכות: וכתר שם טוב עולה על גביהן.

Zeile 8: Das ל, in dem sowohl das פ als auch das ק angedeutet wird, ist eine typografische Ligatur, die dazu dient, die (häufiger vorkommende) Abkürzung לפ”ק “nach der kleinen Zeitrechnung” darzustellen. Man nennt es “Lamed-Pe-Kof” למד־פ״ק, ausgeschrieben למד לפרט קטן oder auch “Lamed mekuzéret” (abgekürztes Lamed, למד מקוצרת) bzw. “Lamed des prat katan” למד של פרט קטן. Meist wird dieses “Lamed-Pe-Kof” verwendet, um Buchstaben zu sparen, weil sich drei Buchstaben in der Zeile nicht mehr ausgehen etc. Die Abkürzung steht um anzudeuten, dass der Tausender der Jahreszahl nicht geschrieben wird. Im konkreten Fall: 546 und nicht 5546.

Die sogenannte Schlusseulogie (“das gute Wort am Ende der Inschrift”) ist eigentlich ein Zitat aus 1 Samuel 25,29, wo Abigail zu David sagt: “so soll das Leben meines Herrn eingebunden sein in das Bündel der Lebendigen” וְֽהָיְתָה֩ נֶ֨פֶשׁ אֲדֹנִ֜י צְרוּרָ֣ה ׀ בִּצְר֣וֹר הַחַיִּ֗ים. Sie wird in Grabinschriften meist abgekürzt תנצבה.

 

Biografische Anmerkung

Chaja, Tochter Jakob, gestorben und begraben am 23. Kislew 546 = Freitag, 25. November 1785.

 

Personenregister neuer jüdischer Friedhof Nikolai (Mikołów)

 

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